Da rauscht der Sturm. -- Die Wasserwogen heben Im Schaum das Schiff zum Himmel auf. Seid ohne Furcht. -- Was soll die Angst, das Beben? Gott zeichnet jedem seinen Lauf.
Der Fluß schwillt auf. Gott tritt sie alle nieder, Die Wellen sinken unter ihm. Sanft glitscht das Schiff, o steiget auf ihr Lieder! Steig auf mein Dank, steig auf zu ihm!
Bin ich nicht Mensch? von Millionen Einer? Und dennoch sieht und liebt Er mich. Dein sind die Himmel, -- aber keiner, Der Dich verehrt, ist ohne Dich!
Den 26sten Jul.
Mein Bett in der Kajüte war recht gut. Bei dem sanften Schwanken des Schiffs schläft man ruhig; wiewohl meine Existenz diesmahl in einen Raum von 41/2 Spannen breit, eingeschlossen war.
Es regnete und stürmte so heftig, daß das Schiff bis gegen Mittag erstaunend herum geworfen ward. Alle 6. Minuten riß man die Segel von einer Seite zur andern mit schrecklichem Gepolter herum. Wir musten beim Früh- stück den Kaffeetopf an den Leuchter binden, und nachher stürzte er doch herunter und zerschlug einiges. Ich be- suchte die Reisegesellschaft, aber allerwegen tanzte alles. Das Schiff sah bald aus, wie ein Hospital. Jetzt konn- te ich noch einem andern, der sich erbrach, den Kopf hal- ten, aber bald nachher muste ich selber alles von mir ge- ben, und vor jedem Fenster, vor jedem Topf stand einer etc. Selbst des Kapitains Frau ward krank, legte sich nieder, und stand wieder auf. Eine traurige, verdrüs-
liche
G g
Da rauſcht der Sturm. — Die Waſſerwogen heben Im Schaum das Schiff zum Himmel auf. Seid ohne Furcht. — Was ſoll die Angſt, das Beben? Gott zeichnet jedem ſeinen Lauf.
Der Fluß ſchwillt auf. Gott tritt ſie alle nieder, Die Wellen ſinken unter ihm. Sanft glitſcht das Schiff, o ſteiget auf ihr Lieder! Steig auf mein Dank, ſteig auf zu ihm!
Bin ich nicht Menſch? von Millionen Einer? Und dennoch ſieht und liebt Er mich. Dein ſind die Himmel, — aber keiner, Der Dich verehrt, iſt ohne Dich!
Den 26ſten Jul.
Mein Bett in der Kajuͤte war recht gut. Bei dem ſanften Schwanken des Schiffs ſchlaͤft man ruhig; wiewohl meine Exiſtenz diesmahl in einen Raum von 4½ Spannen breit, eingeſchloſſen war.
Es regnete und ſtuͤrmte ſo heftig, daß das Schiff bis gegen Mittag erſtaunend herum geworfen ward. Alle 6. Minuten riß man die Segel von einer Seite zur andern mit ſchrecklichem Gepolter herum. Wir muſten beim Fruͤh- ſtuͤck den Kaffeetopf an den Leuchter binden, und nachher ſtuͤrzte er doch herunter und zerſchlug einiges. Ich be- ſuchte die Reiſegeſellſchaft, aber allerwegen tanzte alles. Das Schiff ſah bald aus, wie ein Hoſpital. Jetzt konn- te ich noch einem andern, der ſich erbrach, den Kopf hal- ten, aber bald nachher muſte ich ſelber alles von mir ge- ben, und vor jedem Fenſter, vor jedem Topf ſtand einer ꝛc. Selbſt des Kapitains Frau ward krank, legte ſich nieder, und ſtand wieder auf. Eine traurige, verdruͤs-
liche
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Da rauſcht der Sturm. — Die Waſſerwogen heben
Im Schaum das Schiff zum Himmel auf.
Seid ohne Furcht. — Was ſoll die Angſt, das Beben?
Gott zeichnet jedem ſeinen Lauf.
Der Fluß ſchwillt auf. Gott tritt ſie alle nieder,
Die Wellen ſinken unter ihm.
Sanft glitſcht das Schiff, o ſteiget auf ihr Lieder!
Steig auf mein Dank, ſteig auf zu ihm!
Bin ich nicht Menſch? von Millionen Einer?
Und dennoch ſieht und liebt Er mich.
Dein ſind die Himmel, — aber keiner,
Der Dich verehrt, iſt ohne Dich!
Den 26ſten Jul.
Mein Bett in der Kajuͤte war recht gut. Bei
dem ſanften Schwanken des Schiffs ſchlaͤft man ruhig;
wiewohl meine Exiſtenz diesmahl in einen Raum von 4½
Spannen breit, eingeſchloſſen war.
Es regnete und ſtuͤrmte ſo heftig, daß das Schiff bis
gegen Mittag erſtaunend herum geworfen ward. Alle
6. Minuten riß man die Segel von einer Seite zur andern
mit ſchrecklichem Gepolter herum. Wir muſten beim Fruͤh-
ſtuͤck den Kaffeetopf an den Leuchter binden, und nachher
ſtuͤrzte er doch herunter und zerſchlug einiges. Ich be-
ſuchte die Reiſegeſellſchaft, aber allerwegen tanzte alles.
Das Schiff ſah bald aus, wie ein Hoſpital. Jetzt konn-
te ich noch einem andern, der ſich erbrach, den Kopf hal-
ten, aber bald nachher muſte ich ſelber alles von mir ge-
ben, und vor jedem Fenſter, vor jedem Topf ſtand einer
ꝛc. Selbſt des Kapitains Frau ward krank, legte ſich
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/489>, abgerufen am 30.12.2024.
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