Wenn in einem Gespräch gelegentlich das Wort "Papier" ge- braucht wird, so ist im allgemeinen von derjenigen Verwendung des Papiers die Rede, die die ursprünglichste und älteste ist, von der Ver- wendung zu Schreib- oder Druckzwecken. In der That ist die unge- heure Bedeutung der Erfindung des Papiers gerade für die Entwicklung der graphischen Künste am ersichtlichsten und in die Augen springendsten, ohne daß aber darum die heutige Verwendung des Papiers zu hundert anderen Zwecken minder bedeutungsvoll wäre. Man stellt sich im ge- wöhnlichen Leben gar nicht vor, was alles aus Papier gemacht wird, welche wunderbaren Eigenschaften dieses Produkt menschlichen Erfin- dungsgeistes in sich trägt. Dem Hutmacher, dem Schuhmacher, dem Porzellanfabrikanten, dem Bandagisten, dem Schneider, dem Mosaik- bildner und unzähligen andern gewöhnlichen oder Kunsthandwerkern ist das Papier zu mannigfaltigen Zwecken ein oft unentbehrlicher Gebrauchsgegenstand geworden. Tafeln, Figuren, Töpfe, Wäsche, Fässer von enormer Widerstandskraft, Eisenbahnschienen, Wagenräder, kurz und gut die verschiedenartigsten Sachen, an deren Festigkeit außer- ordentliche Ansprüche gestellt werden, werden heutigen Tages aus diesem Stoffe gemacht, den in früheren Zeiten jemand als zu solchen Dingen geeignet nicht hätte bezeichnen dürfen, ohne verlacht zu werden.
Wenden wir uns der Geschichte der Papierindustrie zu, so sehen wir, daß es zunächst das Bedürfnis nach besserem Schreibmaterial war, das zur Erfindung des Papiers führte. In den ältesten Zeiten mußten Steine, Metallplatten, Thonstücke, Holztafeln, Baumrinden den Skri- benten für ihre Schriftstücke und Schreibkünste genügen. Auch das Palmblatt, das in Indien und auch in Westasien und Ägypten schon in alten Zeiten als vorzüglicher Schreibstoff bekannt und beliebt war und selbst heutzutage namentlich in Ceylon noch sehr viel in Gebrauch
X. Das Papier und die vervielfältigenden Künſte.
1. Die Erfindung des Papiers.
Wenn in einem Geſpräch gelegentlich das Wort „Papier“ ge- braucht wird, ſo iſt im allgemeinen von derjenigen Verwendung des Papiers die Rede, die die urſprünglichſte und älteſte iſt, von der Ver- wendung zu Schreib- oder Druckzwecken. In der That iſt die unge- heure Bedeutung der Erfindung des Papiers gerade für die Entwicklung der graphiſchen Künſte am erſichtlichſten und in die Augen ſpringendſten, ohne daß aber darum die heutige Verwendung des Papiers zu hundert anderen Zwecken minder bedeutungsvoll wäre. Man ſtellt ſich im ge- wöhnlichen Leben gar nicht vor, was alles aus Papier gemacht wird, welche wunderbaren Eigenſchaften dieſes Produkt menſchlichen Erfin- dungsgeiſtes in ſich trägt. Dem Hutmacher, dem Schuhmacher, dem Porzellanfabrikanten, dem Bandagiſten, dem Schneider, dem Moſaik- bildner und unzähligen andern gewöhnlichen oder Kunſthandwerkern iſt das Papier zu mannigfaltigen Zwecken ein oft unentbehrlicher Gebrauchsgegenſtand geworden. Tafeln, Figuren, Töpfe, Wäſche, Fäſſer von enormer Widerſtandskraft, Eiſenbahnſchienen, Wagenräder, kurz und gut die verſchiedenartigſten Sachen, an deren Feſtigkeit außer- ordentliche Anſprüche geſtellt werden, werden heutigen Tages aus dieſem Stoffe gemacht, den in früheren Zeiten jemand als zu ſolchen Dingen geeignet nicht hätte bezeichnen dürfen, ohne verlacht zu werden.
Wenden wir uns der Geſchichte der Papierinduſtrie zu, ſo ſehen wir, daß es zunächſt das Bedürfnis nach beſſerem Schreibmaterial war, das zur Erfindung des Papiers führte. In den älteſten Zeiten mußten Steine, Metallplatten, Thonſtücke, Holztafeln, Baumrinden den Skri- benten für ihre Schriftſtücke und Schreibkünſte genügen. Auch das Palmblatt, das in Indien und auch in Weſtaſien und Ägypten ſchon in alten Zeiten als vorzüglicher Schreibſtoff bekannt und beliebt war und ſelbſt heutzutage namentlich in Ceylon noch ſehr viel in Gebrauch
<TEI><text><body><pbfacs="#f0940"n="[922]"/><divn="1"><head><hirendition="#b"><hirendition="#aq">X</hi>. Das Papier und die vervielfältigenden<lb/>
Künſte.</hi></head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head><hirendition="#b">1. Die Erfindung des Papiers.</hi></head><lb/><p>Wenn in einem Geſpräch gelegentlich das Wort „Papier“ ge-<lb/>
braucht wird, ſo iſt im allgemeinen von derjenigen Verwendung des<lb/>
Papiers die Rede, die die urſprünglichſte und älteſte iſt, von der Ver-<lb/>
wendung zu Schreib- oder Druckzwecken. In der That iſt die unge-<lb/>
heure Bedeutung der Erfindung des Papiers gerade für die Entwicklung<lb/>
der graphiſchen Künſte am erſichtlichſten und in die Augen ſpringendſten,<lb/>
ohne daß aber darum die heutige Verwendung des Papiers zu hundert<lb/>
anderen Zwecken minder bedeutungsvoll wäre. Man ſtellt ſich im ge-<lb/>
wöhnlichen Leben gar nicht vor, was alles aus Papier gemacht wird,<lb/>
welche wunderbaren Eigenſchaften dieſes Produkt menſchlichen Erfin-<lb/>
dungsgeiſtes in ſich trägt. Dem Hutmacher, dem Schuhmacher, dem<lb/>
Porzellanfabrikanten, dem Bandagiſten, dem Schneider, dem Moſaik-<lb/>
bildner und unzähligen andern gewöhnlichen oder Kunſthandwerkern<lb/>
iſt das Papier zu mannigfaltigen Zwecken ein oft unentbehrlicher<lb/>
Gebrauchsgegenſtand geworden. Tafeln, Figuren, Töpfe, Wäſche, Fäſſer<lb/>
von enormer Widerſtandskraft, Eiſenbahnſchienen, Wagenräder, kurz<lb/>
und gut die verſchiedenartigſten Sachen, an deren Feſtigkeit außer-<lb/>
ordentliche Anſprüche geſtellt werden, werden heutigen Tages aus dieſem<lb/>
Stoffe gemacht, den in früheren Zeiten jemand als zu ſolchen Dingen<lb/>
geeignet nicht hätte bezeichnen dürfen, ohne verlacht zu werden.</p><lb/><p>Wenden wir uns der Geſchichte der Papierinduſtrie zu, ſo ſehen<lb/>
wir, daß es zunächſt das Bedürfnis nach beſſerem Schreibmaterial war,<lb/>
das zur Erfindung des Papiers führte. In den älteſten Zeiten mußten<lb/>
Steine, Metallplatten, Thonſtücke, Holztafeln, Baumrinden den Skri-<lb/>
benten für ihre Schriftſtücke und Schreibkünſte genügen. Auch das<lb/>
Palmblatt, das in Indien und auch in Weſtaſien und Ägypten ſchon<lb/>
in alten Zeiten als vorzüglicher Schreibſtoff bekannt und beliebt war<lb/>
und ſelbſt heutzutage namentlich in Ceylon noch ſehr viel in Gebrauch<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[922]/0940]
X. Das Papier und die vervielfältigenden
Künſte.
1. Die Erfindung des Papiers.
Wenn in einem Geſpräch gelegentlich das Wort „Papier“ ge-
braucht wird, ſo iſt im allgemeinen von derjenigen Verwendung des
Papiers die Rede, die die urſprünglichſte und älteſte iſt, von der Ver-
wendung zu Schreib- oder Druckzwecken. In der That iſt die unge-
heure Bedeutung der Erfindung des Papiers gerade für die Entwicklung
der graphiſchen Künſte am erſichtlichſten und in die Augen ſpringendſten,
ohne daß aber darum die heutige Verwendung des Papiers zu hundert
anderen Zwecken minder bedeutungsvoll wäre. Man ſtellt ſich im ge-
wöhnlichen Leben gar nicht vor, was alles aus Papier gemacht wird,
welche wunderbaren Eigenſchaften dieſes Produkt menſchlichen Erfin-
dungsgeiſtes in ſich trägt. Dem Hutmacher, dem Schuhmacher, dem
Porzellanfabrikanten, dem Bandagiſten, dem Schneider, dem Moſaik-
bildner und unzähligen andern gewöhnlichen oder Kunſthandwerkern
iſt das Papier zu mannigfaltigen Zwecken ein oft unentbehrlicher
Gebrauchsgegenſtand geworden. Tafeln, Figuren, Töpfe, Wäſche, Fäſſer
von enormer Widerſtandskraft, Eiſenbahnſchienen, Wagenräder, kurz
und gut die verſchiedenartigſten Sachen, an deren Feſtigkeit außer-
ordentliche Anſprüche geſtellt werden, werden heutigen Tages aus dieſem
Stoffe gemacht, den in früheren Zeiten jemand als zu ſolchen Dingen
geeignet nicht hätte bezeichnen dürfen, ohne verlacht zu werden.
Wenden wir uns der Geſchichte der Papierinduſtrie zu, ſo ſehen
wir, daß es zunächſt das Bedürfnis nach beſſerem Schreibmaterial war,
das zur Erfindung des Papiers führte. In den älteſten Zeiten mußten
Steine, Metallplatten, Thonſtücke, Holztafeln, Baumrinden den Skri-
benten für ihre Schriftſtücke und Schreibkünſte genügen. Auch das
Palmblatt, das in Indien und auch in Weſtaſien und Ägypten ſchon
in alten Zeiten als vorzüglicher Schreibſtoff bekannt und beliebt war
und ſelbſt heutzutage namentlich in Ceylon noch ſehr viel in Gebrauch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. [922]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/940>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.