Diese wichtige Operation wird in einem besonderen Ofen, dem Streckofen, vorgenommen. Die Feuerung des viereckig gebauten Ofens liegt im unteren Teile. Darüber liegt unmittelbar der Streckherd; er empfängt die stärkste Hitze, welche dann in den Kühlofen tritt und aus diesem durch einen langen Kanal, die Aufwärmröhre, abzieht. Der Kühlofen empfängt auch noch direktes Feuer von unten her. Die ganze Anlage ist überwölbt und die einzelnen Teile durch Arbeitsöffnungen zugänglich. Auf dem Streckherd liegt der wichtigste Teil des Ofens, der Streckstein, eine Platte aus feuerfestem Thon, welche gebrannt und nachträglich vollkommen eben geschliffen wird. Sie muß etwas größer sein, als die zu erzielenden Glastafeln. Um jeder Verletzung beim Hinschieben der Tafeln über den Streckstein vorzubeugen, läßt man die erste "gestreckte" Glastafel, die man gewöhnlich etwas dicker macht, als "Lager" auf dem Streckstein liegen, um als Unterlage für die folgenden zu dienen. Das Lager entglast allmählich, wird rauh und muß dann ausgewechselt werden. Es wird hin und wieder, um ein Anhaften
[Abbildung]
Fig. 468.
Fig. 469. Strecken des Walzenglases.
der Scheiben zu verhindern, durch Einwerfen einer Hand voll Kalk in das Feuer mit einer feinen Schicht Kalkstaub überdeckt. Die Tempe- ratur im Streckherd darf nur bis zum gelinden Erweichen des Glases gehen; im Kühlofen darf sie diese Höhe nicht erreichen.
Man führt die aufgeschnittenen Walzen durch die Aufwärmröhre nach einander ein. Sie werden um so heißer, je weiter sie vorrücken. Hat die erste den Herd erreicht, so hebt sie der "Strecker" mit einem Eisen C auf das Lager (Fig. 468). Sie öffnet sich von selbst und wird mittels des angefeuchteten glatten Polierholzes D vollständig geebnet (Fig. 469). Dann schiebt der Strecker die fertige Tafel in den Kühl- ofen, in welchem sie sofort erstarrt, aufgerichtet und auf die Kante ge- stellt wird. So fährt man fort, bis der Kühlofen voll ist.
d) Das Spiegelglas.
Obgleich man schon im Altertum Versuche machte, Spiegel aus Glas herzustellen, so hatten diese Bestrebungen doch so geringen Erfolg, daß die Metallspiegel allgemein herrschend blieben. Erst im Mittelalter
Die Fabrikation und Verarbeitung des Glaſes.
Dieſe wichtige Operation wird in einem beſonderen Ofen, dem Streckofen, vorgenommen. Die Feuerung des viereckig gebauten Ofens liegt im unteren Teile. Darüber liegt unmittelbar der Streckherd; er empfängt die ſtärkſte Hitze, welche dann in den Kühlofen tritt und aus dieſem durch einen langen Kanal, die Aufwärmröhre, abzieht. Der Kühlofen empfängt auch noch direktes Feuer von unten her. Die ganze Anlage iſt überwölbt und die einzelnen Teile durch Arbeitsöffnungen zugänglich. Auf dem Streckherd liegt der wichtigſte Teil des Ofens, der Streckſtein, eine Platte aus feuerfeſtem Thon, welche gebrannt und nachträglich vollkommen eben geſchliffen wird. Sie muß etwas größer ſein, als die zu erzielenden Glastafeln. Um jeder Verletzung beim Hinſchieben der Tafeln über den Streckſtein vorzubeugen, läßt man die erſte „geſtreckte“ Glastafel, die man gewöhnlich etwas dicker macht, als „Lager“ auf dem Streckſtein liegen, um als Unterlage für die folgenden zu dienen. Das Lager entglaſt allmählich, wird rauh und muß dann ausgewechſelt werden. Es wird hin und wieder, um ein Anhaften
[Abbildung]
Fig. 468.
Fig. 469. Strecken des Walzenglaſes.
der Scheiben zu verhindern, durch Einwerfen einer Hand voll Kalk in das Feuer mit einer feinen Schicht Kalkſtaub überdeckt. Die Tempe- ratur im Streckherd darf nur bis zum gelinden Erweichen des Glaſes gehen; im Kühlofen darf ſie dieſe Höhe nicht erreichen.
Man führt die aufgeſchnittenen Walzen durch die Aufwärmröhre nach einander ein. Sie werden um ſo heißer, je weiter ſie vorrücken. Hat die erſte den Herd erreicht, ſo hebt ſie der „Strecker“ mit einem Eiſen C auf das Lager (Fig. 468). Sie öffnet ſich von ſelbſt und wird mittels des angefeuchteten glatten Polierholzes D vollſtändig geebnet (Fig. 469). Dann ſchiebt der Strecker die fertige Tafel in den Kühl- ofen, in welchem ſie ſofort erſtarrt, aufgerichtet und auf die Kante ge- ſtellt wird. So fährt man fort, bis der Kühlofen voll iſt.
d) Das Spiegelglas.
Obgleich man ſchon im Altertum Verſuche machte, Spiegel aus Glas herzuſtellen, ſo hatten dieſe Beſtrebungen doch ſo geringen Erfolg, daß die Metallſpiegel allgemein herrſchend blieben. Erſt im Mittelalter
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0878"n="860"/><fwplace="top"type="header">Die Fabrikation und Verarbeitung des Glaſes.</fw><lb/><p>Dieſe wichtige Operation wird in einem beſonderen Ofen, dem<lb/>
Streckofen, vorgenommen. Die Feuerung des viereckig gebauten Ofens<lb/>
liegt im unteren Teile. Darüber liegt unmittelbar der Streckherd; er<lb/>
empfängt die ſtärkſte Hitze, welche dann in den Kühlofen tritt und aus<lb/>
dieſem durch einen langen Kanal, die Aufwärmröhre, abzieht. Der<lb/>
Kühlofen empfängt auch noch direktes Feuer von unten her. Die ganze<lb/>
Anlage iſt überwölbt und die einzelnen Teile durch Arbeitsöffnungen<lb/>
zugänglich. Auf dem Streckherd liegt der wichtigſte Teil des Ofens,<lb/>
der Streckſtein, eine Platte aus feuerfeſtem Thon, welche gebrannt und<lb/>
nachträglich vollkommen eben geſchliffen wird. Sie muß etwas größer<lb/>ſein, als die zu erzielenden Glastafeln. Um jeder Verletzung beim<lb/>
Hinſchieben der Tafeln über den Streckſtein vorzubeugen, läßt man die<lb/>
erſte „geſtreckte“ Glastafel, die man gewöhnlich etwas dicker macht, als<lb/>„Lager“ auf dem Streckſtein liegen, um als Unterlage für die folgenden<lb/>
zu dienen. Das Lager entglaſt allmählich, wird rauh und muß dann<lb/>
ausgewechſelt werden. Es wird hin und wieder, um ein Anhaften<lb/><figure><head>Fig. 468. </head><p>Fig. 469.<lb/>
Strecken des Walzenglaſes.</p></figure><lb/>
der Scheiben zu verhindern, durch Einwerfen einer Hand voll Kalk in<lb/>
das Feuer mit einer feinen Schicht Kalkſtaub überdeckt. Die Tempe-<lb/>
ratur im Streckherd darf nur bis zum gelinden Erweichen des Glaſes<lb/>
gehen; im Kühlofen darf ſie dieſe Höhe nicht erreichen.</p><lb/><p>Man führt die aufgeſchnittenen Walzen durch die Aufwärmröhre<lb/>
nach einander ein. Sie werden um ſo heißer, je weiter ſie vorrücken.<lb/>
Hat die erſte den Herd erreicht, ſo hebt ſie der „Strecker“ mit einem<lb/>
Eiſen <hirendition="#aq">C</hi> auf das Lager (Fig. 468). Sie öffnet ſich von ſelbſt und wird<lb/>
mittels des angefeuchteten glatten Polierholzes <hirendition="#aq">D</hi> vollſtändig geebnet<lb/>
(Fig. 469). Dann ſchiebt der Strecker die fertige Tafel in den Kühl-<lb/>
ofen, in welchem ſie ſofort erſtarrt, aufgerichtet und auf die Kante ge-<lb/>ſtellt wird. So fährt man fort, bis der Kühlofen voll iſt.</p></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b"><hirendition="#aq">d)</hi> Das Spiegelglas.</hi></head><lb/><p>Obgleich man ſchon im Altertum Verſuche machte, Spiegel aus<lb/>
Glas herzuſtellen, ſo hatten dieſe Beſtrebungen doch ſo geringen Erfolg,<lb/>
daß die Metallſpiegel allgemein herrſchend blieben. Erſt im Mittelalter<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[860/0878]
Die Fabrikation und Verarbeitung des Glaſes.
Dieſe wichtige Operation wird in einem beſonderen Ofen, dem
Streckofen, vorgenommen. Die Feuerung des viereckig gebauten Ofens
liegt im unteren Teile. Darüber liegt unmittelbar der Streckherd; er
empfängt die ſtärkſte Hitze, welche dann in den Kühlofen tritt und aus
dieſem durch einen langen Kanal, die Aufwärmröhre, abzieht. Der
Kühlofen empfängt auch noch direktes Feuer von unten her. Die ganze
Anlage iſt überwölbt und die einzelnen Teile durch Arbeitsöffnungen
zugänglich. Auf dem Streckherd liegt der wichtigſte Teil des Ofens,
der Streckſtein, eine Platte aus feuerfeſtem Thon, welche gebrannt und
nachträglich vollkommen eben geſchliffen wird. Sie muß etwas größer
ſein, als die zu erzielenden Glastafeln. Um jeder Verletzung beim
Hinſchieben der Tafeln über den Streckſtein vorzubeugen, läßt man die
erſte „geſtreckte“ Glastafel, die man gewöhnlich etwas dicker macht, als
„Lager“ auf dem Streckſtein liegen, um als Unterlage für die folgenden
zu dienen. Das Lager entglaſt allmählich, wird rauh und muß dann
ausgewechſelt werden. Es wird hin und wieder, um ein Anhaften
[Abbildung Fig. 468. Fig. 469.
Strecken des Walzenglaſes.]
der Scheiben zu verhindern, durch Einwerfen einer Hand voll Kalk in
das Feuer mit einer feinen Schicht Kalkſtaub überdeckt. Die Tempe-
ratur im Streckherd darf nur bis zum gelinden Erweichen des Glaſes
gehen; im Kühlofen darf ſie dieſe Höhe nicht erreichen.
Man führt die aufgeſchnittenen Walzen durch die Aufwärmröhre
nach einander ein. Sie werden um ſo heißer, je weiter ſie vorrücken.
Hat die erſte den Herd erreicht, ſo hebt ſie der „Strecker“ mit einem
Eiſen C auf das Lager (Fig. 468). Sie öffnet ſich von ſelbſt und wird
mittels des angefeuchteten glatten Polierholzes D vollſtändig geebnet
(Fig. 469). Dann ſchiebt der Strecker die fertige Tafel in den Kühl-
ofen, in welchem ſie ſofort erſtarrt, aufgerichtet und auf die Kante ge-
ſtellt wird. So fährt man fort, bis der Kühlofen voll iſt.
d) Das Spiegelglas.
Obgleich man ſchon im Altertum Verſuche machte, Spiegel aus
Glas herzuſtellen, ſo hatten dieſe Beſtrebungen doch ſo geringen Erfolg,
daß die Metallſpiegel allgemein herrſchend blieben. Erſt im Mittelalter
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 860. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/878>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.