Der Kompaß ist jedenfalls eine chinesische Erfindung, wenngleich ein direkter Nachweis hierfür nicht beigebracht werden kann. Ganz verstreut finden sich in der chinesischen Litteratur Andeutungen, daß die magnetischen Eigenschaften von eisernen Nadeln schon 21 Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung in China bekannt gewesen sein müssen; aber erst etwa 1700 Jahre später geschieht einer Nadel Erwähnung, die nach Süden weist, von der als von etwas ganz Bekanntem gesprochen wird, ohne daß indessen von einer bestimmten Anwendung die Rede ist. Als wirklicher Kompaß erscheint die Magnetnadel nicht vor dem 8. Jahrhundert. Ein solcher Kompaß bestand aus einer in einem Gefäß mit Wasser schwimmenden Nadel; auf dem Rande des Gefäßes war eine Einteilung in die zwölf Doppelstunden des Tages angebracht.
Solange indessen die von Ort zu Ort variierende, mit dem Namen der "magnetischen Deklination" bezeichnete Abweichung der Magnet- nadel von der genauen Nord-Süd-Richtung, deren Entdeckung einem chinesischen Astronomen zugeschrieben wird, unbekannt war, konnte sie in ihrer eigentlichen Verwendung als Kompaß, d. h. als Wegweiser, kaum großen Eingang finden. Als solcher erscheint sie deshalb auch nicht vor dem 12. Jahrhundert; wenigstens stammt der früheste vorhandene Bericht darüber erst aus dem Jahre 1122, wo ein nach Korea gereister chinesischer Gesandter auf einem Schiff ein als Kompaß zu bezeichnendes Instrument als Wegweiser in Gebrauch sah. Erst geraume Zeit nachher mögen arabische Kaufleute den Wasser-Kompaß nach Europa gebracht haben, von wo aus dann das Instrument in wesentlich verbesserter Form nach China zurückwanderte.
Allmählich trat nämlich an die Stelle des Wasser-Kompasses die zweifellos erheblich vorteilhaftere Form des trockenen Kompasses, eine Form, die bekanntlich durch eine auf einer Spitze innerhalb einer Grad- oder Strichteilung freischwebend aufgesetzte Magnetnadel repräsentiert wird. Heute ist man an viel kompendiösere Instrumente gewöhnt, die allerdings auch erheblich höheren Ansprüchen zu genügen haben. In der Regel werden bei denselben mehrere einander möglichst parallele Magnete an der Scheibe der Windrose, die ganz neuerdings eine Aluminium- Peripherie erhält und die Grad-Teilung sowie die Einteilung in 32 Striche, (s. Fig. 441) entsprechend den Haupthimmelsrichtungen, auf Seidenpapier trägt, mit Seidenfäden befestigt, um das Gewicht möglichst klein zu machen; das ganze ruht mit einem genau zentrierten Edelstein- hütchen auf einer feinen, sorgfältig geschliffenen Spitze, der Pinne, welche in der Mitte des bei allen Schwankungen des Schiffes also stets horizontal bleibenden Kompaßhäuschens oder Kessels steht. Diese Form des Kompasses (Patent Hechelmann) erfüllt die Bedingung, möglichst träge, d. h. gegen die Schwankungen des Schiffes unempfindlich zu sein und dabei gleichwohl eine hinreichend große Richtungsfähigkeit zu besitzen, auf sehr zufriedenstellende Weise.
Der Kompaß.
1. Der Kompaß.
Der Kompaß iſt jedenfalls eine chineſiſche Erfindung, wenngleich ein direkter Nachweis hierfür nicht beigebracht werden kann. Ganz verſtreut finden ſich in der chineſiſchen Litteratur Andeutungen, daß die magnetiſchen Eigenſchaften von eiſernen Nadeln ſchon 21 Jahrhunderte vor unſerer Zeitrechnung in China bekannt geweſen ſein müſſen; aber erſt etwa 1700 Jahre ſpäter geſchieht einer Nadel Erwähnung, die nach Süden weiſt, von der als von etwas ganz Bekanntem geſprochen wird, ohne daß indeſſen von einer beſtimmten Anwendung die Rede iſt. Als wirklicher Kompaß erſcheint die Magnetnadel nicht vor dem 8. Jahrhundert. Ein ſolcher Kompaß beſtand aus einer in einem Gefäß mit Waſſer ſchwimmenden Nadel; auf dem Rande des Gefäßes war eine Einteilung in die zwölf Doppelſtunden des Tages angebracht.
Solange indeſſen die von Ort zu Ort variierende, mit dem Namen der „magnetiſchen Deklination“ bezeichnete Abweichung der Magnet- nadel von der genauen Nord-Süd-Richtung, deren Entdeckung einem chineſiſchen Aſtronomen zugeſchrieben wird, unbekannt war, konnte ſie in ihrer eigentlichen Verwendung als Kompaß, d. h. als Wegweiſer, kaum großen Eingang finden. Als ſolcher erſcheint ſie deshalb auch nicht vor dem 12. Jahrhundert; wenigſtens ſtammt der früheſte vorhandene Bericht darüber erſt aus dem Jahre 1122, wo ein nach Korea gereiſter chineſiſcher Geſandter auf einem Schiff ein als Kompaß zu bezeichnendes Inſtrument als Wegweiſer in Gebrauch ſah. Erſt geraume Zeit nachher mögen arabiſche Kaufleute den Waſſer-Kompaß nach Europa gebracht haben, von wo aus dann das Inſtrument in weſentlich verbeſſerter Form nach China zurückwanderte.
Allmählich trat nämlich an die Stelle des Waſſer-Kompaſſes die zweifellos erheblich vorteilhaftere Form des trockenen Kompaſſes, eine Form, die bekanntlich durch eine auf einer Spitze innerhalb einer Grad- oder Strichteilung freiſchwebend aufgeſetzte Magnetnadel repräſentiert wird. Heute iſt man an viel kompendiöſere Inſtrumente gewöhnt, die allerdings auch erheblich höheren Anſprüchen zu genügen haben. In der Regel werden bei denſelben mehrere einander möglichſt parallele Magnete an der Scheibe der Windroſe, die ganz neuerdings eine Aluminium- Peripherie erhält und die Grad-Teilung ſowie die Einteilung in 32 Striche, (ſ. Fig. 441) entſprechend den Haupthimmelsrichtungen, auf Seidenpapier trägt, mit Seidenfäden befeſtigt, um das Gewicht möglichſt klein zu machen; das ganze ruht mit einem genau zentrierten Edelſtein- hütchen auf einer feinen, ſorgfältig geſchliffenen Spitze, der Pinne, welche in der Mitte des bei allen Schwankungen des Schiffes alſo ſtets horizontal bleibenden Kompaßhäuschens oder Keſſels ſteht. Dieſe Form des Kompaſſes (Patent Hechelmann) erfüllt die Bedingung, möglichſt träge, d. h. gegen die Schwankungen des Schiffes unempfindlich zu ſein und dabei gleichwohl eine hinreichend große Richtungsfähigkeit zu beſitzen, auf ſehr zufriedenſtellende Weiſe.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0815"n="797"/><fwplace="top"type="header">Der Kompaß.</fw><lb/><divn="4"><head><hirendition="#b">1. Der Kompaß.</hi></head><lb/><p>Der Kompaß iſt jedenfalls eine chineſiſche Erfindung, wenngleich<lb/>
ein direkter Nachweis hierfür nicht beigebracht werden kann. Ganz<lb/>
verſtreut finden ſich in der chineſiſchen Litteratur Andeutungen, daß die<lb/>
magnetiſchen Eigenſchaften von eiſernen Nadeln ſchon 21 Jahrhunderte<lb/>
vor unſerer Zeitrechnung in China bekannt geweſen ſein müſſen; aber<lb/>
erſt etwa 1700 Jahre ſpäter geſchieht einer Nadel Erwähnung, die nach<lb/>
Süden weiſt, von der als von etwas ganz Bekanntem geſprochen<lb/>
wird, ohne daß indeſſen von einer beſtimmten Anwendung die<lb/>
Rede iſt. Als wirklicher Kompaß erſcheint die Magnetnadel nicht vor<lb/>
dem 8. Jahrhundert. Ein ſolcher Kompaß beſtand aus einer in einem<lb/>
Gefäß mit Waſſer ſchwimmenden Nadel; auf dem Rande des Gefäßes<lb/>
war eine Einteilung in die zwölf Doppelſtunden des Tages angebracht.</p><lb/><p>Solange indeſſen die von Ort zu Ort variierende, mit dem Namen<lb/>
der „magnetiſchen Deklination“ bezeichnete Abweichung der Magnet-<lb/>
nadel von der genauen Nord-Süd-Richtung, deren Entdeckung einem<lb/>
chineſiſchen Aſtronomen zugeſchrieben wird, unbekannt war, konnte ſie<lb/>
in ihrer eigentlichen Verwendung als Kompaß, d. h. als Wegweiſer,<lb/>
kaum großen Eingang finden. Als ſolcher erſcheint ſie deshalb<lb/>
auch nicht vor dem 12. Jahrhundert; wenigſtens ſtammt der früheſte<lb/>
vorhandene Bericht darüber erſt aus dem Jahre 1122, wo ein nach<lb/>
Korea gereiſter chineſiſcher Geſandter auf einem Schiff ein als Kompaß<lb/>
zu bezeichnendes Inſtrument als Wegweiſer in Gebrauch ſah. Erſt<lb/>
geraume Zeit nachher mögen arabiſche Kaufleute den Waſſer-Kompaß<lb/>
nach Europa gebracht haben, von wo aus dann das Inſtrument in<lb/>
weſentlich verbeſſerter Form nach China zurückwanderte.</p><lb/><p>Allmählich trat nämlich an die Stelle des Waſſer-Kompaſſes die<lb/>
zweifellos erheblich vorteilhaftere Form des trockenen Kompaſſes, eine<lb/>
Form, die bekanntlich durch eine auf einer Spitze innerhalb einer Grad-<lb/>
oder Strichteilung freiſchwebend aufgeſetzte Magnetnadel repräſentiert<lb/>
wird. Heute iſt man an viel kompendiöſere Inſtrumente gewöhnt, die<lb/>
allerdings auch erheblich höheren Anſprüchen zu genügen haben. In der<lb/>
Regel werden bei denſelben mehrere einander möglichſt parallele Magnete<lb/>
an der Scheibe der Windroſe, die ganz neuerdings eine Aluminium-<lb/>
Peripherie erhält und die Grad-Teilung ſowie die Einteilung in<lb/>
32 Striche, (ſ. Fig. 441) entſprechend den Haupthimmelsrichtungen, auf<lb/>
Seidenpapier trägt, mit Seidenfäden befeſtigt, um das Gewicht möglichſt<lb/>
klein zu machen; das ganze ruht mit einem genau zentrierten Edelſtein-<lb/>
hütchen auf einer feinen, ſorgfältig geſchliffenen Spitze, der Pinne, welche<lb/>
in der Mitte des bei allen Schwankungen des Schiffes alſo ſtets<lb/>
horizontal bleibenden Kompaßhäuschens oder Keſſels ſteht. Dieſe Form<lb/>
des Kompaſſes (Patent Hechelmann) erfüllt die Bedingung, möglichſt träge,<lb/>
d. h. gegen die Schwankungen des Schiffes unempfindlich zu ſein und<lb/>
dabei gleichwohl eine hinreichend große Richtungsfähigkeit zu beſitzen,<lb/>
auf ſehr zufriedenſtellende Weiſe.</p><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[797/0815]
Der Kompaß.
1. Der Kompaß.
Der Kompaß iſt jedenfalls eine chineſiſche Erfindung, wenngleich
ein direkter Nachweis hierfür nicht beigebracht werden kann. Ganz
verſtreut finden ſich in der chineſiſchen Litteratur Andeutungen, daß die
magnetiſchen Eigenſchaften von eiſernen Nadeln ſchon 21 Jahrhunderte
vor unſerer Zeitrechnung in China bekannt geweſen ſein müſſen; aber
erſt etwa 1700 Jahre ſpäter geſchieht einer Nadel Erwähnung, die nach
Süden weiſt, von der als von etwas ganz Bekanntem geſprochen
wird, ohne daß indeſſen von einer beſtimmten Anwendung die
Rede iſt. Als wirklicher Kompaß erſcheint die Magnetnadel nicht vor
dem 8. Jahrhundert. Ein ſolcher Kompaß beſtand aus einer in einem
Gefäß mit Waſſer ſchwimmenden Nadel; auf dem Rande des Gefäßes
war eine Einteilung in die zwölf Doppelſtunden des Tages angebracht.
Solange indeſſen die von Ort zu Ort variierende, mit dem Namen
der „magnetiſchen Deklination“ bezeichnete Abweichung der Magnet-
nadel von der genauen Nord-Süd-Richtung, deren Entdeckung einem
chineſiſchen Aſtronomen zugeſchrieben wird, unbekannt war, konnte ſie
in ihrer eigentlichen Verwendung als Kompaß, d. h. als Wegweiſer,
kaum großen Eingang finden. Als ſolcher erſcheint ſie deshalb
auch nicht vor dem 12. Jahrhundert; wenigſtens ſtammt der früheſte
vorhandene Bericht darüber erſt aus dem Jahre 1122, wo ein nach
Korea gereiſter chineſiſcher Geſandter auf einem Schiff ein als Kompaß
zu bezeichnendes Inſtrument als Wegweiſer in Gebrauch ſah. Erſt
geraume Zeit nachher mögen arabiſche Kaufleute den Waſſer-Kompaß
nach Europa gebracht haben, von wo aus dann das Inſtrument in
weſentlich verbeſſerter Form nach China zurückwanderte.
Allmählich trat nämlich an die Stelle des Waſſer-Kompaſſes die
zweifellos erheblich vorteilhaftere Form des trockenen Kompaſſes, eine
Form, die bekanntlich durch eine auf einer Spitze innerhalb einer Grad-
oder Strichteilung freiſchwebend aufgeſetzte Magnetnadel repräſentiert
wird. Heute iſt man an viel kompendiöſere Inſtrumente gewöhnt, die
allerdings auch erheblich höheren Anſprüchen zu genügen haben. In der
Regel werden bei denſelben mehrere einander möglichſt parallele Magnete
an der Scheibe der Windroſe, die ganz neuerdings eine Aluminium-
Peripherie erhält und die Grad-Teilung ſowie die Einteilung in
32 Striche, (ſ. Fig. 441) entſprechend den Haupthimmelsrichtungen, auf
Seidenpapier trägt, mit Seidenfäden befeſtigt, um das Gewicht möglichſt
klein zu machen; das ganze ruht mit einem genau zentrierten Edelſtein-
hütchen auf einer feinen, ſorgfältig geſchliffenen Spitze, der Pinne, welche
in der Mitte des bei allen Schwankungen des Schiffes alſo ſtets
horizontal bleibenden Kompaßhäuschens oder Keſſels ſteht. Dieſe Form
des Kompaſſes (Patent Hechelmann) erfüllt die Bedingung, möglichſt träge,
d. h. gegen die Schwankungen des Schiffes unempfindlich zu ſein und
dabei gleichwohl eine hinreichend große Richtungsfähigkeit zu beſitzen,
auf ſehr zufriedenſtellende Weiſe.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 797. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/815>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.