Dieser kräftigste aller bisher bekannt gewordenen Sprengkörper wurde von Sobrero in Pelouzes Laboratorium in Paris im Jahre 1847 entdeckt. Die neue Substanz fand lange Zeit gar keine Beachtung, vielleicht, weil ihre gefährlichen Eigenschaften vor einer fabrikmäßigen Herstellung zurückschreckten. Erst 1863 wurde der Versuch von dem Schweden Alfred Nobel gewagt und glücklich zu Ende geführt. Das Nitroglycerin wurde unter dem Namen "Nobels Sprengöl" schnell bekannt und fand besonders im Bergbau umfassende Anwendung. Da explodierte 1864 Nobels eigene Fabrik in Stockholm; eine ganze An- zahl furchtbarer Unglücksfälle gleicher Art in den verschiedensten Welt- gegenden folgte nach, so daß schnell die günstige Aufnahme, die man dem Sprengöl bisher bereitet hatte, in das Gegenteil umschlug. Nobels großes Verdienst bestand nun darin, daß er trotz der ungünstigen Ver- hältnisse sein Ziel mutig weiter verfolgte. Er wies zunächst durch unwiderlegbare Versuche nach, daß die stattgefundenen Explosionen allein grenzenlosem Leichtsinn zuzuschreiben seien; dann aber gelang es ihm, in der Infusorienerde, dem Kieselgur, einen Körper zu ent- decken, welcher das Sprengöl mit Leichtigkeit aufsaugt und hierbei eine leicht und verhältnismäßig gefahrlos zu behandelnde und doch sehr sprengkräftige Masse, das Dynamit, ergiebt. Zugleich zeigte er, daß man mittels eines Zündhütchens das Dynamit leicht und gefahrlos zur Detonation bringen kann. 1866 wurde Dynamit zum erstenmale zum Sprengen verwendet; seitdem ist es in der Technik das beliebteste Sprengmittel geworden, welches in vielerlei Formen und Mischungen gebraucht wird und das Pulver gänzlich verdrängt hat.
Das Nitroglycerin, oder wie man es richtiger nennen sollte, das salpetersaure Glycerin, ist eine der Schießwolle durchaus analoge Ver- bindung, welche in ähnlicher Weise, wie diese, gewonnen wird. Zur Fabrikation nach dem heute als das beste anerkannte Verfahren des Amerikaners Mowbray benutzt man Glycerin, welches durch Zerlegung der Fette mittels überhitzter Wasserdämpfe gewonnen und nachträglich raffiniert wird. Es muß absolut farb- und geruchlos sein und völlig reinen, süßen Geschmack besitzen; ebenso muß es ganz frei von Wasser sein. Man läßt das Glycerin sehr langsam in Steinkrüge einfließen, welche ein kaltes Gemisch von zwei Volumen Schwefelsäure und einem Volum Salpetersäure enthalten und in mit einer Kältemischung aus Eis und Kochsalz gefüllten hölzernen Bottichen stehen. Durch be- sondere Röhren wird in jeden Krug ein kalter Luftstrom geleitet und hierdurch eine innige Mengung bewirkt; vor allem wird hierdurch jede Spur von salpetriger Säure entfernt, welche nachgewiesenermaßen gerade zu Explosionen Anlaß giebt. Die Arbeiter müssen die Tem- peratur während der Zersetzung genau überwachen und hindern den Glycerinzufluß, sowie sich Erwärmung bemerkbar macht. Nach andert-
Das Knallqueckſilber. — Das Nitroglycerin.
Das Nitroglycerin.
Dieſer kräftigſte aller bisher bekannt gewordenen Sprengkörper wurde von Sobrero in Pelouzes Laboratorium in Paris im Jahre 1847 entdeckt. Die neue Subſtanz fand lange Zeit gar keine Beachtung, vielleicht, weil ihre gefährlichen Eigenſchaften vor einer fabrikmäßigen Herſtellung zurückſchreckten. Erſt 1863 wurde der Verſuch von dem Schweden Alfred Nobel gewagt und glücklich zu Ende geführt. Das Nitroglycerin wurde unter dem Namen „Nobels Sprengöl“ ſchnell bekannt und fand beſonders im Bergbau umfaſſende Anwendung. Da explodierte 1864 Nobels eigene Fabrik in Stockholm; eine ganze An- zahl furchtbarer Unglücksfälle gleicher Art in den verſchiedenſten Welt- gegenden folgte nach, ſo daß ſchnell die günſtige Aufnahme, die man dem Sprengöl bisher bereitet hatte, in das Gegenteil umſchlug. Nobels großes Verdienſt beſtand nun darin, daß er trotz der ungünſtigen Ver- hältniſſe ſein Ziel mutig weiter verfolgte. Er wies zunächſt durch unwiderlegbare Verſuche nach, daß die ſtattgefundenen Exploſionen allein grenzenloſem Leichtſinn zuzuſchreiben ſeien; dann aber gelang es ihm, in der Infuſorienerde, dem Kieſelgur, einen Körper zu ent- decken, welcher das Sprengöl mit Leichtigkeit aufſaugt und hierbei eine leicht und verhältnismäßig gefahrlos zu behandelnde und doch ſehr ſprengkräftige Maſſe, das Dynamit, ergiebt. Zugleich zeigte er, daß man mittels eines Zündhütchens das Dynamit leicht und gefahrlos zur Detonation bringen kann. 1866 wurde Dynamit zum erſtenmale zum Sprengen verwendet; ſeitdem iſt es in der Technik das beliebteſte Sprengmittel geworden, welches in vielerlei Formen und Miſchungen gebraucht wird und das Pulver gänzlich verdrängt hat.
Das Nitroglycerin, oder wie man es richtiger nennen ſollte, das ſalpeterſaure Glycerin, iſt eine der Schießwolle durchaus analoge Ver- bindung, welche in ähnlicher Weiſe, wie dieſe, gewonnen wird. Zur Fabrikation nach dem heute als das beſte anerkannte Verfahren des Amerikaners Mowbray benutzt man Glycerin, welches durch Zerlegung der Fette mittels überhitzter Waſſerdämpfe gewonnen und nachträglich raffiniert wird. Es muß abſolut farb- und geruchlos ſein und völlig reinen, ſüßen Geſchmack beſitzen; ebenſo muß es ganz frei von Waſſer ſein. Man läßt das Glycerin ſehr langſam in Steinkrüge einfließen, welche ein kaltes Gemiſch von zwei Volumen Schwefelſäure und einem Volum Salpeterſäure enthalten und in mit einer Kältemiſchung aus Eis und Kochſalz gefüllten hölzernen Bottichen ſtehen. Durch be- ſondere Röhren wird in jeden Krug ein kalter Luftſtrom geleitet und hierdurch eine innige Mengung bewirkt; vor allem wird hierdurch jede Spur von ſalpetriger Säure entfernt, welche nachgewieſenermaßen gerade zu Exploſionen Anlaß giebt. Die Arbeiter müſſen die Tem- peratur während der Zerſetzung genau überwachen und hindern den Glycerinzufluß, ſowie ſich Erwärmung bemerkbar macht. Nach andert-
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Das Knallqueckſilber. — Das Nitroglycerin.
Das Nitroglycerin.
Dieſer kräftigſte aller bisher bekannt gewordenen Sprengkörper
wurde von Sobrero in Pelouzes Laboratorium in Paris im Jahre 1847
entdeckt. Die neue Subſtanz fand lange Zeit gar keine Beachtung,
vielleicht, weil ihre gefährlichen Eigenſchaften vor einer fabrikmäßigen
Herſtellung zurückſchreckten. Erſt 1863 wurde der Verſuch von dem
Schweden Alfred Nobel gewagt und glücklich zu Ende geführt. Das
Nitroglycerin wurde unter dem Namen „Nobels Sprengöl“ ſchnell
bekannt und fand beſonders im Bergbau umfaſſende Anwendung. Da
explodierte 1864 Nobels eigene Fabrik in Stockholm; eine ganze An-
zahl furchtbarer Unglücksfälle gleicher Art in den verſchiedenſten Welt-
gegenden folgte nach, ſo daß ſchnell die günſtige Aufnahme, die man
dem Sprengöl bisher bereitet hatte, in das Gegenteil umſchlug. Nobels
großes Verdienſt beſtand nun darin, daß er trotz der ungünſtigen Ver-
hältniſſe ſein Ziel mutig weiter verfolgte. Er wies zunächſt durch
unwiderlegbare Verſuche nach, daß die ſtattgefundenen Exploſionen
allein grenzenloſem Leichtſinn zuzuſchreiben ſeien; dann aber gelang
es ihm, in der Infuſorienerde, dem Kieſelgur, einen Körper zu ent-
decken, welcher das Sprengöl mit Leichtigkeit aufſaugt und hierbei eine
leicht und verhältnismäßig gefahrlos zu behandelnde und doch ſehr
ſprengkräftige Maſſe, das Dynamit, ergiebt. Zugleich zeigte er, daß
man mittels eines Zündhütchens das Dynamit leicht und gefahrlos
zur Detonation bringen kann. 1866 wurde Dynamit zum erſtenmale
zum Sprengen verwendet; ſeitdem iſt es in der Technik das beliebteſte
Sprengmittel geworden, welches in vielerlei Formen und Miſchungen
gebraucht wird und das Pulver gänzlich verdrängt hat.
Das Nitroglycerin, oder wie man es richtiger nennen ſollte, das
ſalpeterſaure Glycerin, iſt eine der Schießwolle durchaus analoge Ver-
bindung, welche in ähnlicher Weiſe, wie dieſe, gewonnen wird. Zur
Fabrikation nach dem heute als das beſte anerkannte Verfahren des
Amerikaners Mowbray benutzt man Glycerin, welches durch Zerlegung
der Fette mittels überhitzter Waſſerdämpfe gewonnen und nachträglich
raffiniert wird. Es muß abſolut farb- und geruchlos ſein und völlig
reinen, ſüßen Geſchmack beſitzen; ebenſo muß es ganz frei von Waſſer
ſein. Man läßt das Glycerin ſehr langſam in Steinkrüge einfließen,
welche ein kaltes Gemiſch von zwei Volumen Schwefelſäure und einem
Volum Salpeterſäure enthalten und in mit einer Kältemiſchung aus
Eis und Kochſalz gefüllten hölzernen Bottichen ſtehen. Durch be-
ſondere Röhren wird in jeden Krug ein kalter Luftſtrom geleitet und
hierdurch eine innige Mengung bewirkt; vor allem wird hierdurch
jede Spur von ſalpetriger Säure entfernt, welche nachgewieſenermaßen
gerade zu Exploſionen Anlaß giebt. Die Arbeiter müſſen die Tem-
peratur während der Zerſetzung genau überwachen und hindern den
Glycerinzufluß, ſowie ſich Erwärmung bemerkbar macht. Nach andert-
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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 713. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/731>, abgerufen am 21.11.2024.
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