Färben in die Gegenstände ein, sie verbindet sich mit ihnen. Über die Vorgänge, die dabei statthaben, werden wir zum Schluß in einem be- sonderen Abschnitt zu sprechen haben.
Während für die Farben zum Bemalen vorwiegend mineralische -- anorganische -- Materialien in Betracht kommen, ziehen wir die Farben zum Färben vorwiegend -- man kann fast sagen ausschließlich -- aus der Tier- und Pflanzen-, also der organischen Welt. Die Tierwelt ist freilich bei dieser Lieferung nur sehr schwach beteiligt. Wir haben nur zwei Vertreter zu nennen, die im Altertume hochberühmte Purpurschnecke und die seit der Entdeckung Amerikas uns bekannt gewordene Cochenille- Schildlaus mit ihrer bei uns heimischen Verwandten, der Kermes- Schildlaus.
1. Die tierischen Farbstoffe.
Der Purpur war die bei weitem hervorragendste zur Färberei gebrauchte Farbe des Altertums. Er wurde aus verschiedenen Schnecken- arten gewonnen, die den Gattungen Purpura, Murex und Buccinium angehören. Diese Tiere sondern in ihren Zellen ein farbloses oder schwach gelbliches Ausscheidungsprodukt ab, welches unter der Ein- wirkung von Licht und Luft in Fäulnis übergeht, und dabei unter Entwickelung eines starken Knoblauchgeruches nach und nach gelb, grün, blau, violett und schließlich rot wird. Die wichtigste Eigenschaft des so entstandenen Farbstoffes ist, daß er sehr echt ist, ohne weitere Be- festigungsmittel (Beizen) die Faser färbt und durch Waschen mit Seife und ähnlichen alkalischen Reinigungsmitteln sogar an Glanz und Schön- heit gewinnt. Übrigens war die Farbe kein reines Rot, sondern stets mit Blau gemischt, und näherte sich deshalb mehr unserem Violett. Der Farbenton und die sonstigen Eigenschaften des Purpurs schwankten je nach dem Ursprungsort, der im Orient gewonnene war schöner als der in Italien hergestellte; unter den orientalischen Sorten hatte wieder der tyrische, aus der phönikischen Stadt Tyrus, den größten Ruf. Als eine Luxusfarbe war der Purpur stets nur den be- vorzugten Bevölkerungsklassen zugänglich und erlaubt. In erster Linie galt das Tragen purpurner Gewänder als Vorrecht der Könige, wie ja noch heute der Purpur als Symbol der höchsten Gewalt angesehen wird, nennen wir doch den Inhaber derselben kurzweg "Purpurträger". Im alten Rom war der Purpur eine Auszeichnung der Senatoren, später freilich dehnte sich mit dem zunehmenden Luxus auch der Gebrauch des Pur- purs aus, so daß zur Kaiserzeit das Tragen desselben gesetzlich be- schränkt und sogar ganz verboten wurde. Jetzt ist die Gewinnung des Purpurs aus den Schneckenarten völlig in Vergessenheit geraten.
Das Cochenillerot wird aus einem Insekte gewonnen, das zur Klasse der Schildläuse gehört und den wissenschaftlichen Namen Coccus cacti führt. Dasselbe lebt ausschließlich auf einer in Mexiko heimischen
Die Farben und das Färben.
Färben in die Gegenſtände ein, ſie verbindet ſich mit ihnen. Über die Vorgänge, die dabei ſtatthaben, werden wir zum Schluß in einem be- ſonderen Abſchnitt zu ſprechen haben.
Während für die Farben zum Bemalen vorwiegend mineraliſche — anorganiſche — Materialien in Betracht kommen, ziehen wir die Farben zum Färben vorwiegend — man kann faſt ſagen ausſchließlich — aus der Tier- und Pflanzen-, alſo der organiſchen Welt. Die Tierwelt iſt freilich bei dieſer Lieferung nur ſehr ſchwach beteiligt. Wir haben nur zwei Vertreter zu nennen, die im Altertume hochberühmte Purpurſchnecke und die ſeit der Entdeckung Amerikas uns bekannt gewordene Cochenille- Schildlaus mit ihrer bei uns heimiſchen Verwandten, der Kermes- Schildlaus.
1. Die tieriſchen Farbſtoffe.
Der Purpur war die bei weitem hervorragendſte zur Färberei gebrauchte Farbe des Altertums. Er wurde aus verſchiedenen Schnecken- arten gewonnen, die den Gattungen Purpura, Murex und Buccinium angehören. Dieſe Tiere ſondern in ihren Zellen ein farbloſes oder ſchwach gelbliches Ausſcheidungsprodukt ab, welches unter der Ein- wirkung von Licht und Luft in Fäulnis übergeht, und dabei unter Entwickelung eines ſtarken Knoblauchgeruches nach und nach gelb, grün, blau, violett und ſchließlich rot wird. Die wichtigſte Eigenſchaft des ſo entſtandenen Farbſtoffes iſt, daß er ſehr echt iſt, ohne weitere Be- feſtigungsmittel (Beizen) die Faſer färbt und durch Waſchen mit Seife und ähnlichen alkaliſchen Reinigungsmitteln ſogar an Glanz und Schön- heit gewinnt. Übrigens war die Farbe kein reines Rot, ſondern ſtets mit Blau gemiſcht, und näherte ſich deshalb mehr unſerem Violett. Der Farbenton und die ſonſtigen Eigenſchaften des Purpurs ſchwankten je nach dem Urſprungsort, der im Orient gewonnene war ſchöner als der in Italien hergeſtellte; unter den orientaliſchen Sorten hatte wieder der tyriſche, aus der phönikiſchen Stadt Tyrus, den größten Ruf. Als eine Luxusfarbe war der Purpur ſtets nur den be- vorzugten Bevölkerungsklaſſen zugänglich und erlaubt. In erſter Linie galt das Tragen purpurner Gewänder als Vorrecht der Könige, wie ja noch heute der Purpur als Symbol der höchſten Gewalt angeſehen wird, nennen wir doch den Inhaber derſelben kurzweg „Purpurträger“. Im alten Rom war der Purpur eine Auszeichnung der Senatoren, ſpäter freilich dehnte ſich mit dem zunehmenden Luxus auch der Gebrauch des Pur- purs aus, ſo daß zur Kaiſerzeit das Tragen desſelben geſetzlich be- ſchränkt und ſogar ganz verboten wurde. Jetzt iſt die Gewinnung des Purpurs aus den Schneckenarten völlig in Vergeſſenheit geraten.
Das Cochenillerot wird aus einem Inſekte gewonnen, das zur Klaſſe der Schildläuſe gehört und den wiſſenſchaftlichen Namen Coccus cacti führt. Dasſelbe lebt ausſchließlich auf einer in Mexiko heimiſchen
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Die Farben und das Färben.
Färben in die Gegenſtände ein, ſie verbindet ſich mit ihnen. Über die
Vorgänge, die dabei ſtatthaben, werden wir zum Schluß in einem be-
ſonderen Abſchnitt zu ſprechen haben.
Während für die Farben zum Bemalen vorwiegend mineraliſche —
anorganiſche — Materialien in Betracht kommen, ziehen wir die Farben
zum Färben vorwiegend — man kann faſt ſagen ausſchließlich — aus
der Tier- und Pflanzen-, alſo der organiſchen Welt. Die Tierwelt iſt
freilich bei dieſer Lieferung nur ſehr ſchwach beteiligt. Wir haben nur
zwei Vertreter zu nennen, die im Altertume hochberühmte Purpurſchnecke
und die ſeit der Entdeckung Amerikas uns bekannt gewordene Cochenille-
Schildlaus mit ihrer bei uns heimiſchen Verwandten, der Kermes-
Schildlaus.
1. Die tieriſchen Farbſtoffe.
Der Purpur war die bei weitem hervorragendſte zur Färberei
gebrauchte Farbe des Altertums. Er wurde aus verſchiedenen Schnecken-
arten gewonnen, die den Gattungen Purpura, Murex und Buccinium
angehören. Dieſe Tiere ſondern in ihren Zellen ein farbloſes oder
ſchwach gelbliches Ausſcheidungsprodukt ab, welches unter der Ein-
wirkung von Licht und Luft in Fäulnis übergeht, und dabei unter
Entwickelung eines ſtarken Knoblauchgeruches nach und nach gelb, grün,
blau, violett und ſchließlich rot wird. Die wichtigſte Eigenſchaft des
ſo entſtandenen Farbſtoffes iſt, daß er ſehr echt iſt, ohne weitere Be-
feſtigungsmittel (Beizen) die Faſer färbt und durch Waſchen mit Seife
und ähnlichen alkaliſchen Reinigungsmitteln ſogar an Glanz und Schön-
heit gewinnt. Übrigens war die Farbe kein reines Rot, ſondern
ſtets mit Blau gemiſcht, und näherte ſich deshalb mehr unſerem
Violett. Der Farbenton und die ſonſtigen Eigenſchaften des Purpurs
ſchwankten je nach dem Urſprungsort, der im Orient gewonnene war
ſchöner als der in Italien hergeſtellte; unter den orientaliſchen Sorten
hatte wieder der tyriſche, aus der phönikiſchen Stadt Tyrus, den
größten Ruf. Als eine Luxusfarbe war der Purpur ſtets nur den be-
vorzugten Bevölkerungsklaſſen zugänglich und erlaubt. In erſter Linie
galt das Tragen purpurner Gewänder als Vorrecht der Könige, wie ja
noch heute der Purpur als Symbol der höchſten Gewalt angeſehen wird,
nennen wir doch den Inhaber derſelben kurzweg „Purpurträger“. Im alten
Rom war der Purpur eine Auszeichnung der Senatoren, ſpäter freilich
dehnte ſich mit dem zunehmenden Luxus auch der Gebrauch des Pur-
purs aus, ſo daß zur Kaiſerzeit das Tragen desſelben geſetzlich be-
ſchränkt und ſogar ganz verboten wurde. Jetzt iſt die Gewinnung des
Purpurs aus den Schneckenarten völlig in Vergeſſenheit geraten.
Das Cochenillerot wird aus einem Inſekte gewonnen, das zur
Klaſſe der Schildläuſe gehört und den wiſſenſchaftlichen Namen Coccus
cacti führt. Dasſelbe lebt ausſchließlich auf einer in Mexiko heimiſchen
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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/416>, abgerufen am 21.11.2024.
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