Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Phonograph.
Aufnahmen eine Nachbildung nicht zulassen. Die Wiederholung der
dem Grammophon diktierten Reden hat gar keine Schwierigkeit. Jede
Stopfnadel, in einen Kork gesteckt, kann dazu dienen. Faßt man den
Kork lose an, so gleitet die Nadel über die Schrift und hält sich durch
die Reibung gerade über der Spirale. Sie macht also genau die
Schwingungen durch, welche vorhin der Stift vollführte und teilt
durch die Luft unserem Ohre die längst verhallte Rede wieder mit.
Durch ein Schallrohr läßt sich der Ton beliebig verstärken. Die
Einfachheit des Grammophons verschafft ihm allmählich Eingang in
Familien, wo er ein allezeit launenloser Unterhalter ist. Musikstücke,
die ihm durch Spiel und Gesang jemals anvertraut wurden, weiß er
ebenfalls mit der peinlichsten Genauigkeit wieder von sich zu geben.

Praktische Anwendung dieser Instrumente von besonderem In-
teresse sind freilich bisher nicht gemacht worden -- wenn wir von
Spielereien absehen, die von Amerika aus auch auf den europäischen
Spielwaarenmarkt gelangten, wie jenen sprechenden Puppen, die
vermöge eines in ihrem Innern sitzenden Phonographen einen früher
hineingesprochenen Satz wiederholen können. Aber er besitzt für die
Wissenschaft einen unschätzbaren Wert. Wie genau wird man jetzt
die Sprachen der verschiedenen Völker, die jemals und irgendwo er-
klungen sind, nach langer Zeit noch untersuchen können! Wie wird
es möglich sein, den Aufbau der je von Musikinstrumenten oder vom
Menschenmund oder durch die Stimmen der Tiere hervorgebrachten
Laute in ihre feinsten Details aufzulösen und mit welcher Muße wird
man sich diesem Studium hingeben können, welches sonst mit dem
schwierigen Versuche begann und endigte! Die Untersuchung der
menschlichen Sprachen, das Festhalten solcher, die dem Untergange
anheimfallen, das sind die Hauptdienste, zu denen der Phonograph
sich darbietet.

Das Telephon.

Aber wie kommen wir gerade hier auf diesen Apparat zu sprechen,
der doch seiner ganzen Natur nach keine elektrische Erfindung dar-
stellt, denn der Elektromotor, dem Edison die Führung der Phono-
graphenwalze übertrug, kann ja ohne großen Schaden auch durch
einen anderen Motor ersetzt werden. Wir sind gerade hier näher auf
ihn eingegangen, weil wir durch ihn über die Natur der Laute belehrt
worden sind, deren Übertragung auf weite Fernen eine Aufgabe ist,
für welche die Elektrizität sich als einzig tauglich erwies. Sie ist es,
die mit ungeheurer Geschwindigkeit sich verbreitend, sich als der pünktlichste
Bote für allerhand Übermittelungen erwiesen hat; auf sie also mußte
sich vor allem das Augenmerk derjenigen Erfinder richten, denen ein
Sprechen in weite Fernen als erstrebenswertes Ziel galt. Der Schall,
der in die Luft eindringt, pflanzt sich wohl auch mit einiger Schnelligkeit
fort, da er in drei Sekunden ein Kilometer zurückzulegen vermag.

Der Phonograph.
Aufnahmen eine Nachbildung nicht zulaſſen. Die Wiederholung der
dem Grammophon diktierten Reden hat gar keine Schwierigkeit. Jede
Stopfnadel, in einen Kork geſteckt, kann dazu dienen. Faßt man den
Kork loſe an, ſo gleitet die Nadel über die Schrift und hält ſich durch
die Reibung gerade über der Spirale. Sie macht alſo genau die
Schwingungen durch, welche vorhin der Stift vollführte und teilt
durch die Luft unſerem Ohre die längſt verhallte Rede wieder mit.
Durch ein Schallrohr läßt ſich der Ton beliebig verſtärken. Die
Einfachheit des Grammophons verſchafft ihm allmählich Eingang in
Familien, wo er ein allezeit launenloſer Unterhalter iſt. Muſikſtücke,
die ihm durch Spiel und Geſang jemals anvertraut wurden, weiß er
ebenfalls mit der peinlichſten Genauigkeit wieder von ſich zu geben.

Praktiſche Anwendung dieſer Inſtrumente von beſonderem In-
tereſſe ſind freilich bisher nicht gemacht worden — wenn wir von
Spielereien abſehen, die von Amerika aus auch auf den europäiſchen
Spielwaarenmarkt gelangten, wie jenen ſprechenden Puppen, die
vermöge eines in ihrem Innern ſitzenden Phonographen einen früher
hineingeſprochenen Satz wiederholen können. Aber er beſitzt für die
Wiſſenſchaft einen unſchätzbaren Wert. Wie genau wird man jetzt
die Sprachen der verſchiedenen Völker, die jemals und irgendwo er-
klungen ſind, nach langer Zeit noch unterſuchen können! Wie wird
es möglich ſein, den Aufbau der je von Muſikinſtrumenten oder vom
Menſchenmund oder durch die Stimmen der Tiere hervorgebrachten
Laute in ihre feinſten Details aufzulöſen und mit welcher Muße wird
man ſich dieſem Studium hingeben können, welches ſonſt mit dem
ſchwierigen Verſuche begann und endigte! Die Unterſuchung der
menſchlichen Sprachen, das Feſthalten ſolcher, die dem Untergange
anheimfallen, das ſind die Hauptdienſte, zu denen der Phonograph
ſich darbietet.

Das Telephon.

Aber wie kommen wir gerade hier auf dieſen Apparat zu ſprechen,
der doch ſeiner ganzen Natur nach keine elektriſche Erfindung dar-
ſtellt, denn der Elektromotor, dem Ediſon die Führung der Phono-
graphenwalze übertrug, kann ja ohne großen Schaden auch durch
einen anderen Motor erſetzt werden. Wir ſind gerade hier näher auf
ihn eingegangen, weil wir durch ihn über die Natur der Laute belehrt
worden ſind, deren Übertragung auf weite Fernen eine Aufgabe iſt,
für welche die Elektrizität ſich als einzig tauglich erwies. Sie iſt es,
die mit ungeheurer Geſchwindigkeit ſich verbreitend, ſich als der pünktlichſte
Bote für allerhand Übermittelungen erwieſen hat; auf ſie alſo mußte
ſich vor allem das Augenmerk derjenigen Erfinder richten, denen ein
Sprechen in weite Fernen als erſtrebenswertes Ziel galt. Der Schall,
der in die Luft eindringt, pflanzt ſich wohl auch mit einiger Schnelligkeit
fort, da er in drei Sekunden ein Kilometer zurückzulegen vermag.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0251" n="233"/><fw place="top" type="header">Der Phonograph.</fw><lb/>
Aufnahmen eine Nachbildung nicht zula&#x017F;&#x017F;en. Die Wiederholung der<lb/>
dem Grammophon diktierten Reden hat gar keine Schwierigkeit. Jede<lb/>
Stopfnadel, in einen Kork ge&#x017F;teckt, kann dazu dienen. Faßt man den<lb/>
Kork lo&#x017F;e an, &#x017F;o gleitet die Nadel über die Schrift und hält &#x017F;ich durch<lb/>
die Reibung gerade über der Spirale. Sie macht al&#x017F;o genau die<lb/>
Schwingungen durch, welche vorhin der Stift vollführte und teilt<lb/>
durch die Luft un&#x017F;erem Ohre die läng&#x017F;t verhallte Rede wieder mit.<lb/>
Durch ein Schallrohr läßt &#x017F;ich der Ton beliebig ver&#x017F;tärken. Die<lb/>
Einfachheit des Grammophons ver&#x017F;chafft ihm allmählich Eingang in<lb/>
Familien, wo er ein allezeit launenlo&#x017F;er Unterhalter i&#x017F;t. Mu&#x017F;ik&#x017F;tücke,<lb/>
die ihm durch Spiel und Ge&#x017F;ang jemals anvertraut wurden, weiß er<lb/>
ebenfalls mit der peinlich&#x017F;ten Genauigkeit wieder von &#x017F;ich zu geben.</p><lb/>
              <p>Prakti&#x017F;che Anwendung die&#x017F;er In&#x017F;trumente von be&#x017F;onderem In-<lb/>
tere&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ind freilich bisher nicht gemacht worden &#x2014; wenn wir von<lb/>
Spielereien ab&#x017F;ehen, die von Amerika aus auch auf den europäi&#x017F;chen<lb/>
Spielwaarenmarkt gelangten, wie jenen &#x017F;prechenden Puppen, die<lb/>
vermöge eines in ihrem Innern &#x017F;itzenden Phonographen einen früher<lb/>
hineinge&#x017F;prochenen Satz wiederholen können. Aber er be&#x017F;itzt für die<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft einen un&#x017F;chätzbaren Wert. Wie genau wird man jetzt<lb/>
die Sprachen der ver&#x017F;chiedenen Völker, die jemals und irgendwo er-<lb/>
klungen &#x017F;ind, nach langer Zeit noch unter&#x017F;uchen können! Wie wird<lb/>
es möglich &#x017F;ein, den Aufbau der je von Mu&#x017F;ikin&#x017F;trumenten oder vom<lb/>
Men&#x017F;chenmund oder durch die Stimmen der Tiere hervorgebrachten<lb/>
Laute in ihre fein&#x017F;ten Details aufzulö&#x017F;en und mit welcher Muße wird<lb/>
man &#x017F;ich die&#x017F;em Studium hingeben können, welches &#x017F;on&#x017F;t mit dem<lb/>
&#x017F;chwierigen Ver&#x017F;uche begann und endigte! Die Unter&#x017F;uchung der<lb/>
men&#x017F;chlichen Sprachen, das Fe&#x017F;thalten &#x017F;olcher, die dem Untergange<lb/>
anheimfallen, das &#x017F;ind die Hauptdien&#x017F;te, zu denen der Phonograph<lb/>
&#x017F;ich darbietet.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Das Telephon.</hi> </head><lb/>
              <p>Aber wie kommen wir gerade hier auf die&#x017F;en Apparat zu &#x017F;prechen,<lb/>
der doch &#x017F;einer ganzen Natur nach keine elektri&#x017F;che Erfindung dar-<lb/>
&#x017F;tellt, denn der Elektromotor, dem Edi&#x017F;on die Führung der Phono-<lb/>
graphenwalze übertrug, kann ja ohne großen Schaden auch durch<lb/>
einen anderen Motor er&#x017F;etzt werden. Wir &#x017F;ind gerade hier näher auf<lb/>
ihn eingegangen, weil wir durch ihn über die Natur der Laute belehrt<lb/>
worden &#x017F;ind, deren Übertragung auf weite Fernen eine Aufgabe i&#x017F;t,<lb/>
für welche die Elektrizität &#x017F;ich als einzig tauglich erwies. Sie i&#x017F;t es,<lb/>
die mit ungeheurer Ge&#x017F;chwindigkeit &#x017F;ich verbreitend, &#x017F;ich als der pünktlich&#x017F;te<lb/>
Bote für allerhand Übermittelungen erwie&#x017F;en hat; auf &#x017F;ie al&#x017F;o mußte<lb/>
&#x017F;ich vor allem das Augenmerk derjenigen Erfinder richten, denen ein<lb/>
Sprechen in weite Fernen als er&#x017F;trebenswertes Ziel galt. Der Schall,<lb/>
der in die Luft eindringt, pflanzt &#x017F;ich wohl auch mit einiger Schnelligkeit<lb/>
fort, da er in drei Sekunden ein Kilometer zurückzulegen vermag.<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[233/0251] Der Phonograph. Aufnahmen eine Nachbildung nicht zulaſſen. Die Wiederholung der dem Grammophon diktierten Reden hat gar keine Schwierigkeit. Jede Stopfnadel, in einen Kork geſteckt, kann dazu dienen. Faßt man den Kork loſe an, ſo gleitet die Nadel über die Schrift und hält ſich durch die Reibung gerade über der Spirale. Sie macht alſo genau die Schwingungen durch, welche vorhin der Stift vollführte und teilt durch die Luft unſerem Ohre die längſt verhallte Rede wieder mit. Durch ein Schallrohr läßt ſich der Ton beliebig verſtärken. Die Einfachheit des Grammophons verſchafft ihm allmählich Eingang in Familien, wo er ein allezeit launenloſer Unterhalter iſt. Muſikſtücke, die ihm durch Spiel und Geſang jemals anvertraut wurden, weiß er ebenfalls mit der peinlichſten Genauigkeit wieder von ſich zu geben. Praktiſche Anwendung dieſer Inſtrumente von beſonderem In- tereſſe ſind freilich bisher nicht gemacht worden — wenn wir von Spielereien abſehen, die von Amerika aus auch auf den europäiſchen Spielwaarenmarkt gelangten, wie jenen ſprechenden Puppen, die vermöge eines in ihrem Innern ſitzenden Phonographen einen früher hineingeſprochenen Satz wiederholen können. Aber er beſitzt für die Wiſſenſchaft einen unſchätzbaren Wert. Wie genau wird man jetzt die Sprachen der verſchiedenen Völker, die jemals und irgendwo er- klungen ſind, nach langer Zeit noch unterſuchen können! Wie wird es möglich ſein, den Aufbau der je von Muſikinſtrumenten oder vom Menſchenmund oder durch die Stimmen der Tiere hervorgebrachten Laute in ihre feinſten Details aufzulöſen und mit welcher Muße wird man ſich dieſem Studium hingeben können, welches ſonſt mit dem ſchwierigen Verſuche begann und endigte! Die Unterſuchung der menſchlichen Sprachen, das Feſthalten ſolcher, die dem Untergange anheimfallen, das ſind die Hauptdienſte, zu denen der Phonograph ſich darbietet. Das Telephon. Aber wie kommen wir gerade hier auf dieſen Apparat zu ſprechen, der doch ſeiner ganzen Natur nach keine elektriſche Erfindung dar- ſtellt, denn der Elektromotor, dem Ediſon die Führung der Phono- graphenwalze übertrug, kann ja ohne großen Schaden auch durch einen anderen Motor erſetzt werden. Wir ſind gerade hier näher auf ihn eingegangen, weil wir durch ihn über die Natur der Laute belehrt worden ſind, deren Übertragung auf weite Fernen eine Aufgabe iſt, für welche die Elektrizität ſich als einzig tauglich erwies. Sie iſt es, die mit ungeheurer Geſchwindigkeit ſich verbreitend, ſich als der pünktlichſte Bote für allerhand Übermittelungen erwieſen hat; auf ſie alſo mußte ſich vor allem das Augenmerk derjenigen Erfinder richten, denen ein Sprechen in weite Fernen als erſtrebenswertes Ziel galt. Der Schall, der in die Luft eindringt, pflanzt ſich wohl auch mit einiger Schnelligkeit fort, da er in drei Sekunden ein Kilometer zurückzulegen vermag.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/251
Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/251>, abgerufen am 21.11.2024.