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Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785.

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Eben so sehr bin ich besorgt, dass Fri-
seurs oft die Verführer seyn mögen. Oft
sage ich, weil es liebloss seyn würde, wenn
ich eine so zahlreiche Classe der Menschen,
wie die Classe der Friseurs ist, durchgaengig
für verderbt erklaeren wollte. Aber auch
nur angenommen, dass die Lehrlinge und
Gesellen der Friseurs im Durchschnitte eben
nicht unmoralischer, als andere junge Leute,
sind, so sind sie doch um deswegen gefaehr-
licher, weil sie in vielen Haeusern Erlaub-
niss haben, ohne Zeugen, sich bey den Kin-
dern zu verweilen, und ihnen sehr nahe auf
den Leib zu rücken. Wenn der Menschen-
kenner die Stellung beobachtet, die der Fri-
seur nehmen muss, wenn er beschaeftigt ist,
die Haare der Kinder in eine unnatürliche
Lage zu bringen: so wird er schon aus die-
ser Stellung Gefahr für Tugend und Un-
schuld ahnden. (Diess ist, unter uns ge-
sagt, ein Wink, der für diejenigen, die ein
feines Gefühl für das Schickliche und Un-
schickliche, für das Anstaendige und Unan-

staendige,

Eben ſo ſehr bin ich beſorgt, daſs Fri-
ſeurs oft die Verführer ſeyn mögen. Oft
ſage ich, weil es liebloſs ſeyn würde, wenn
ich eine ſo zahlreiche Claſſe der Menſchen,
wie die Claſſe der Friſeurs iſt, durchgængig
für verderbt erklæren wollte. Aber auch
nur angenommen, daſs die Lehrlinge und
Geſellen der Friſeurs im Durchſchnitte eben
nicht unmoraliſcher, als andere junge Leute,
ſind, ſo ſind ſie doch um deswegen gefæhr-
licher, weil ſie in vielen Hæuſern Erlaub-
niſs haben, ohne Zeugen, ſich bey den Kin-
dern zu verweilen, und ihnen ſehr nahe auf
den Leib zu rücken. Wenn der Menſchen-
kenner die Stellung beobachtet, die der Fri-
ſeur nehmen muſs, wenn er beſchæftigt iſt,
die Haare der Kinder in eine unnatürliche
Lage zu bringen: ſo wird er ſchon aus die-
ſer Stellung Gefahr für Tugend und Un-
ſchuld ahnden. (Dieſs iſt, unter uns ge-
ſagt, ein Wink, der für diejenigen, die ein
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[174/0184] Eben ſo ſehr bin ich beſorgt, daſs Fri- ſeurs oft die Verführer ſeyn mögen. Oft ſage ich, weil es liebloſs ſeyn würde, wenn ich eine ſo zahlreiche Claſſe der Menſchen, wie die Claſſe der Friſeurs iſt, durchgængig für verderbt erklæren wollte. Aber auch nur angenommen, daſs die Lehrlinge und Geſellen der Friſeurs im Durchſchnitte eben nicht unmoraliſcher, als andere junge Leute, ſind, ſo ſind ſie doch um deswegen gefæhr- licher, weil ſie in vielen Hæuſern Erlaub- niſs haben, ohne Zeugen, ſich bey den Kin- dern zu verweilen, und ihnen ſehr nahe auf den Leib zu rücken. Wenn der Menſchen- kenner die Stellung beobachtet, die der Fri- ſeur nehmen muſs, wenn er beſchæftigt iſt, die Haare der Kinder in eine unnatürliche Lage zu bringen: ſo wird er ſchon aus die- ſer Stellung Gefahr für Tugend und Un- ſchuld ahnden. (Dieſs iſt, unter uns ge- ſagt, ein Wink, der für diejenigen, die ein feines Gefühl für das Schickliche und Un- ſchickliche, für das Anſtændige und Unan- ſtændige,

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Zitationshilfe: Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/184>, abgerufen am 26.04.2024.