Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

tern schon den Kindern gesaehrlich seyn.
Eltern erlauben sich oft, sich in der Kinder
Gegenwart zu küssen, welches ganz unschul-
dig ist. Das Kind sahe schon mehrmals,
dass sich Freunde küssten, oder auch Perso-
nen beyderley Geschlechts, bey der Ankunft
und dem Weggehen, oder nach geendigter
Mahlzeit sich umarmten. Es wird also den
Kuss der Eltern für nichts weiter als ein Zei-
chen der Liebe und Freundschaft halten.
Wenn es aber bey dem Küssen nicht bleibt,
wenn wirklich zu zaertlichen Liebkosungen
fortgeschritten wird, so fallen die Liebko-
senden leicht in eine süsse Betaeubung, die
alle Rücksicht auf die Kinder vergessend
macht, und sie verleitet sich allerley Frey-
heiten zu erlauben, die dem Kinde zu man-
cherley Speculationen Anlass geben. Das
Kind stellt sich vielleicht, als wenn es nichts
bemerke, spielt und handthiert für sich --
aber diess geschieht oft nur, um die Atten-
tion der Eltern zu schwaechen, und desto
ungestörter beobachten zu können.

Noch

tern ſchon den Kindern geſæhrlich ſeyn.
Eltern erlauben ſich oft, ſich in der Kinder
Gegenwart zu küſſen, welches ganz unſchul-
dig iſt. Das Kind ſahe ſchon mehrmals,
daſs ſich Freunde küſsten, oder auch Perſo-
nen beyderley Geſchlechts, bey der Ankunft
und dem Weggehen, oder nach geendigter
Mahlzeit ſich umarmten. Es wird alſo den
Kuſs der Eltern für nichts weiter als ein Zei-
chen der Liebe und Freundſchaft halten.
Wenn es aber bey dem Küſſen nicht bleibt,
wenn wirklich zu zærtlichen Liebkoſungen
fortgeſchritten wird, ſo fallen die Liebko-
ſenden leicht in eine ſüſſe Betæubung, die
alle Rückſicht auf die Kinder vergeſſend
macht, und ſie verleitet ſich allerley Frey-
heiten zu erlauben, die dem Kinde zu man-
cherley Speculationen Anlaſs geben. Das
Kind ſtellt ſich vielleicht, als wenn es nichts
bemerke, ſpielt und handthiert für ſich —
aber dieſs geſchieht oft nur, um die Atten-
tion der Eltern zu ſchwæchen, und deſto
ungeſtörter beobachten zu können.

Noch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0167" n="157"/>
tern &#x017F;chon den Kindern ge&#x017F;æhrlich &#x017F;eyn.<lb/>
Eltern erlauben &#x017F;ich oft, &#x017F;ich in der Kinder<lb/>
Gegenwart zu kü&#x017F;&#x017F;en, welches ganz un&#x017F;chul-<lb/>
dig i&#x017F;t. Das Kind &#x017F;ahe &#x017F;chon mehrmals,<lb/>
da&#x017F;s &#x017F;ich Freunde kü&#x017F;sten, oder auch Per&#x017F;o-<lb/>
nen beyderley Ge&#x017F;chlechts, bey der Ankunft<lb/>
und dem Weggehen, oder nach geendigter<lb/>
Mahlzeit &#x017F;ich umarmten. Es wird al&#x017F;o den<lb/>
Ku&#x017F;s der Eltern für nichts weiter als ein Zei-<lb/>
chen der Liebe und Freund&#x017F;chaft halten.<lb/>
Wenn es aber bey dem Kü&#x017F;&#x017F;en nicht bleibt,<lb/>
wenn wirklich zu zærtlichen Liebko&#x017F;ungen<lb/>
fortge&#x017F;chritten wird, &#x017F;o fallen die Liebko-<lb/>
&#x017F;enden leicht in eine &#x017F;ü&#x017F;&#x017F;e Betæubung, die<lb/>
alle Rück&#x017F;icht auf die Kinder verge&#x017F;&#x017F;end<lb/>
macht, und &#x017F;ie verleitet &#x017F;ich allerley Frey-<lb/>
heiten zu erlauben, die dem Kinde zu man-<lb/>
cherley Speculationen Anla&#x017F;s geben. Das<lb/>
Kind &#x017F;tellt &#x017F;ich vielleicht, als wenn es nichts<lb/>
bemerke, &#x017F;pielt und handthiert für &#x017F;ich &#x2014;<lb/>
aber die&#x017F;s ge&#x017F;chieht oft nur, um die Atten-<lb/>
tion der Eltern zu &#x017F;chwæchen, und de&#x017F;to<lb/>
unge&#x017F;törter beobachten zu können.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Noch</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0167] tern ſchon den Kindern geſæhrlich ſeyn. Eltern erlauben ſich oft, ſich in der Kinder Gegenwart zu küſſen, welches ganz unſchul- dig iſt. Das Kind ſahe ſchon mehrmals, daſs ſich Freunde küſsten, oder auch Perſo- nen beyderley Geſchlechts, bey der Ankunft und dem Weggehen, oder nach geendigter Mahlzeit ſich umarmten. Es wird alſo den Kuſs der Eltern für nichts weiter als ein Zei- chen der Liebe und Freundſchaft halten. Wenn es aber bey dem Küſſen nicht bleibt, wenn wirklich zu zærtlichen Liebkoſungen fortgeſchritten wird, ſo fallen die Liebko- ſenden leicht in eine ſüſſe Betæubung, die alle Rückſicht auf die Kinder vergeſſend macht, und ſie verleitet ſich allerley Frey- heiten zu erlauben, die dem Kinde zu man- cherley Speculationen Anlaſs geben. Das Kind ſtellt ſich vielleicht, als wenn es nichts bemerke, ſpielt und handthiert für ſich — aber dieſs geſchieht oft nur, um die Atten- tion der Eltern zu ſchwæchen, und deſto ungeſtörter beobachten zu können. Noch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/167
Zitationshilfe: Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/167>, abgerufen am 26.04.2024.