"Ich bin so elend, so ohne alle Aus- sicht in der Welt, daß ich keine Freude mehr für mich hoffen darf. Also ist Selbstentleibung meine ein- zige Glückseligkeit, und eine Kugel vor den Kopf mein einziger Erlöser."
"Ich kann keine Freude mehr hoffen."
Freund, weißt du denn, was der morgige Tag alles bringen wird? Kennst du denn zum voraus alle Kummer- und Freuden- thränen, die morgen unter der Sonne aus den Augen der Menschen tröpfeln werden? "Nein, das weiß ich nicht, das kann ich nicht wissen, das kann kein Sterblicher wis- sen." Wenn du aber nicht weist, was der morgige Tag, der in wenigen Stunden an-
bricht,
F 2
[Abbildung]
1.
„Ich bin ſo elend, ſo ohne alle Aus- ſicht in der Welt, daß ich keine Freude mehr fuͤr mich hoffen darf. Alſo iſt Selbſtentleibung meine ein- zige Gluͤckſeligkeit, und eine Kugel vor den Kopf mein einziger Erloͤſer.„
„Ich kann keine Freude mehr hoffen.“
Freund, weißt du denn, was der morgige Tag alles bringen wird? Kennſt du denn zum voraus alle Kummer- und Freuden- thraͤnen, die morgen unter der Sonne aus den Augen der Menſchen troͤpfeln werden? „Nein, das weiß ich nicht, das kann ich nicht wiſſen, das kann kein Sterblicher wiſ- ſen.“ Wenn du aber nicht weist, was der morgige Tag, der in wenigen Stunden an-
bricht,
F 2
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0095"n="[83]"/><figure/><lb/><divn="2"><head>1.</head><lb/><p><hirendition="#fr">„<hirendition="#in">I</hi>ch bin ſo elend, ſo ohne alle Aus-<lb/>ſicht in der Welt, daß ich keine<lb/>
Freude mehr fuͤr mich hoffen darf.<lb/>
Alſo iſt Selbſtentleibung meine ein-<lb/>
zige Gluͤckſeligkeit, und eine Kugel<lb/>
vor den Kopf mein einziger Erloͤſer.„</hi></p><lb/><p>„Ich kann keine Freude mehr hoffen.“</p><lb/><p>Freund, weißt du denn, was der<lb/>
morgige Tag alles bringen wird? Kennſt du<lb/>
denn zum voraus alle Kummer- und Freuden-<lb/>
thraͤnen, die morgen unter der Sonne aus<lb/>
den Augen der Menſchen troͤpfeln werden?<lb/>„Nein, das weiß ich nicht, das kann ich<lb/>
nicht wiſſen, das kann kein Sterblicher wiſ-<lb/>ſen.“ Wenn du aber nicht weist, was der<lb/>
morgige Tag, der in wenigen Stunden an-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">F 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">bricht,</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[83]/0095]
[Abbildung]
1.
„Ich bin ſo elend, ſo ohne alle Aus-
ſicht in der Welt, daß ich keine
Freude mehr fuͤr mich hoffen darf.
Alſo iſt Selbſtentleibung meine ein-
zige Gluͤckſeligkeit, und eine Kugel
vor den Kopf mein einziger Erloͤſer.„
„Ich kann keine Freude mehr hoffen.“
Freund, weißt du denn, was der
morgige Tag alles bringen wird? Kennſt du
denn zum voraus alle Kummer- und Freuden-
thraͤnen, die morgen unter der Sonne aus
den Augen der Menſchen troͤpfeln werden?
„Nein, das weiß ich nicht, das kann ich
nicht wiſſen, das kann kein Sterblicher wiſ-
ſen.“ Wenn du aber nicht weist, was der
morgige Tag, der in wenigen Stunden an-
bricht,
F 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sailer, Johann Michael: Über den Selbstmord. München, 1785, S. [83]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_selbstmord_1785/95>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.