Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sailer, Johann Michael: Kurzgefaßte Erinnerungen an junge Prediger. München, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite
V.

Wer also die christliche Sittenlehre lehrt, wie
er soll, der lehrt sie nach ihrem Grundgesetze,
in dem alle übrigen Gesetze liegen; weiset stets
auf die Kraft, sie zu erfüllen; giebt die zuver-
lässigsten Prüfsteine der Gesetzerfüllung an, da-
mit in der wichtigsten Sache keine falsche Si-
cherheit und keine schädliche Täuschung um
sich greife; treibt zu den unnachlässigsten Gei-
stesübungen, Selbstverläugnung und Gebet; giebt
der Liebe gegen Gott die gehörige Ausdehnung;
knüpft das Gebot der Menschen-Nächsten-
Brüderliebe an das erste Gebot an, und macht
es diesem gleich; stellt die Liebe Gottes gegen
uns zur Norm der Menschenliebe auf, und macht
diese zum Merkzeichen des wahren Christenthums,
und legt über die zwey schönsten Perlen im
Himmel und auf Erde -- Gottes- und Nächsten-
liebe, den feinen Schleyer der Demuth, wodurch
der Schatz bewahrt und verschönert wird (A);
zäumt durch Furcht, was für itzt nur bezäumt
und nur durch Furcht bezäumt werden kann;
legt überall den Grund zum neuen Sinn durch
Wegschaffung des alten, und schämt sich nicht,

im
G 5
V.

Wer alſo die chriſtliche Sittenlehre lehrt, wie
er ſoll, der lehrt ſie nach ihrem Grundgeſetze,
in dem alle übrigen Geſetze liegen; weiſet ſtets
auf die Kraft, ſie zu erfüllen; giebt die zuver-
läſſigſten Prüfſteine der Geſetzerfüllung an, da-
mit in der wichtigſten Sache keine falſche Si-
cherheit und keine ſchädliche Täuſchung um
ſich greife; treibt zu den unnachläſſigſten Gei-
ſtesübungen, Selbſtverläugnung und Gebet; giebt
der Liebe gegen Gott die gehörige Ausdehnung;
knüpft das Gebot der Menſchen-Nächſten-
Brüderliebe an das erſte Gebot an, und macht
es dieſem gleich; ſtellt die Liebe Gottes gegen
uns zur Norm der Menſchenliebe auf, und macht
dieſe zum Merkzeichen des wahren Chriſtenthums,
und legt über die zwey ſchönſten Perlen im
Himmel und auf Erde — Gottes- und Nächſten-
liebe, den feinen Schleyer der Demuth, wodurch
der Schatz bewahrt und verſchönert wird (A);
zäumt durch Furcht, was für itzt nur bezäumt
und nur durch Furcht bezäumt werden kann;
legt überall den Grund zum neuen Sinn durch
Wegſchaffung des alten, und ſchämt ſich nicht,

im
G 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0119" n="105"/>
        <div n="2">
          <head>V.</head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">W</hi>er al&#x017F;o die chri&#x017F;tliche Sittenlehre lehrt, wie<lb/>
er &#x017F;oll, der lehrt &#x017F;ie nach ihrem <hi rendition="#i">Grundge&#x017F;etze</hi>,<lb/>
in dem alle übrigen Ge&#x017F;etze liegen; wei&#x017F;et &#x017F;tets<lb/>
auf die <hi rendition="#i">Kraft</hi>, &#x017F;ie zu erfüllen; giebt die zuver-<lb/>&#x017F;&#x017F;ig&#x017F;ten <hi rendition="#i">Prüf&#x017F;teine</hi> der Ge&#x017F;etzerfüllung an, da-<lb/>
mit in der wichtig&#x017F;ten Sache keine fal&#x017F;che Si-<lb/>
cherheit und keine &#x017F;chädliche Täu&#x017F;chung um<lb/>
&#x017F;ich greife; treibt zu den unnachlä&#x017F;&#x017F;ig&#x017F;ten Gei-<lb/>
&#x017F;tesübungen, <hi rendition="#i">Selb&#x017F;tverläugnung</hi> und <hi rendition="#i">Gebet;</hi> giebt<lb/>
der Liebe gegen Gott die gehörige <hi rendition="#i">Ausdehnung;</hi><lb/>
knüpft das Gebot der Men&#x017F;chen-Näch&#x017F;ten-<lb/>
Brüderliebe an das <hi rendition="#i">er&#x017F;te Gebot</hi> an, und macht<lb/>
es die&#x017F;em gleich; &#x017F;tellt die Liebe Gottes gegen<lb/>
uns zur <hi rendition="#i">Norm</hi> der Men&#x017F;chenliebe auf, und macht<lb/>
die&#x017F;e zum <hi rendition="#i">Merkzeichen</hi> des wahren Chri&#x017F;tenthums,<lb/>
und legt über die zwey &#x017F;chön&#x017F;ten Perlen im<lb/>
Himmel und auf Erde &#x2014; Gottes- und Näch&#x017F;ten-<lb/>
liebe, den feinen Schleyer der <hi rendition="#i">Demuth</hi>, wodurch<lb/>
der Schatz bewahrt und ver&#x017F;chönert wird (A);<lb/>
zäumt durch <hi rendition="#i">Furcht</hi>, was für itzt nur bezäumt<lb/>
und nur durch Furcht bezäumt werden kann;<lb/>
legt überall den Grund zum neuen Sinn durch<lb/>
Weg&#x017F;chaffung des alten, und &#x017F;chämt &#x017F;ich nicht,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G 5</fw><fw place="bottom" type="catch">im</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[105/0119] V. Wer alſo die chriſtliche Sittenlehre lehrt, wie er ſoll, der lehrt ſie nach ihrem Grundgeſetze, in dem alle übrigen Geſetze liegen; weiſet ſtets auf die Kraft, ſie zu erfüllen; giebt die zuver- läſſigſten Prüfſteine der Geſetzerfüllung an, da- mit in der wichtigſten Sache keine falſche Si- cherheit und keine ſchädliche Täuſchung um ſich greife; treibt zu den unnachläſſigſten Gei- ſtesübungen, Selbſtverläugnung und Gebet; giebt der Liebe gegen Gott die gehörige Ausdehnung; knüpft das Gebot der Menſchen-Nächſten- Brüderliebe an das erſte Gebot an, und macht es dieſem gleich; ſtellt die Liebe Gottes gegen uns zur Norm der Menſchenliebe auf, und macht dieſe zum Merkzeichen des wahren Chriſtenthums, und legt über die zwey ſchönſten Perlen im Himmel und auf Erde — Gottes- und Nächſten- liebe, den feinen Schleyer der Demuth, wodurch der Schatz bewahrt und verſchönert wird (A); zäumt durch Furcht, was für itzt nur bezäumt und nur durch Furcht bezäumt werden kann; legt überall den Grund zum neuen Sinn durch Wegſchaffung des alten, und ſchämt ſich nicht, im G 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_prediger_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_prediger_1791/119
Zitationshilfe: Sailer, Johann Michael: Kurzgefaßte Erinnerungen an junge Prediger. München, 1791, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_prediger_1791/119>, abgerufen am 21.11.2024.