Drittes Capitel. Bearbeitung des natürlichen Systems unter dem Dogma von der Constanz der Arten. 1759-1850.
Nach 1750 brach sich Linne's Nomenclatur der Organe, sowie die binäre Benennung der Arten allgemein Bahn, der Widerstand, den seine Lehren bis dahin gefunden hatten, ver- stummte nach und nach und wenn auch nicht Alles, was Linne lehrte, überall angenommen wurde, so ward doch seine Behand- lung der Beschreibungskunst bald das Gemeingut aller Botaniker.
Im weiteren Verfolg aber zeigte sich eine Spaltung in zwei sehr verschiedene Richtungen: die meisten deutschen, englischen und schwedischen Botaniker hielten sich ganz streng an den Aus- spruch Linne's: Je mehr Species ein Botaniker kennt, desto vorzüglicher ist er; sie nahmen das Linne'sche Sexualsystem als eine die Wissenschaft in jeder Beziehung abschließende Leistung hin, ihrer Meinung nach hatte die Botanik in ihm ihren Gipfel erreicht; ein Fortschritt konnte nur noch im Einzelnen stattfinden, indem man manche Unebenheiten des Linne'schen Sexualsystems glättete und neue Species zu sammeln und zu beschreiben fortfuhr. Es konnte nicht fehlen, daß auf diese Weise die Botanik nach und nach aufhörte, überhaupt eine Wissenschaft zu sein; selbst die Einzelbeschreibung, welche Linne zu einer Kunst erhoben hatte, wurde in den Händen dieser Art von Nach- folgern wieder laxer und schlaffer gehandhabt, an die Stelle der morphologischen Betrachtung der Pflanzentheile trat eine immer mehr und mehr sich ausdehnende Anhäufung von Kunstausdrücken,
Bearbeitung des natürlichen Syſtems unter dem
Drittes Capitel. Bearbeitung des natürlichen Syſtems unter dem Dogma von der Conſtanz der Arten. 1759-1850.
Nach 1750 brach ſich Linné's Nomenclatur der Organe, ſowie die binäre Benennung der Arten allgemein Bahn, der Widerſtand, den ſeine Lehren bis dahin gefunden hatten, ver- ſtummte nach und nach und wenn auch nicht Alles, was Linné lehrte, überall angenommen wurde, ſo ward doch ſeine Behand- lung der Beſchreibungskunſt bald das Gemeingut aller Botaniker.
Im weiteren Verfolg aber zeigte ſich eine Spaltung in zwei ſehr verſchiedene Richtungen: die meiſten deutſchen, engliſchen und ſchwediſchen Botaniker hielten ſich ganz ſtreng an den Aus- ſpruch Linné's: Je mehr Species ein Botaniker kennt, deſto vorzüglicher iſt er; ſie nahmen das Linné'ſche Sexualſyſtem als eine die Wiſſenſchaft in jeder Beziehung abſchließende Leiſtung hin, ihrer Meinung nach hatte die Botanik in ihm ihren Gipfel erreicht; ein Fortſchritt konnte nur noch im Einzelnen ſtattfinden, indem man manche Unebenheiten des Linné'ſchen Sexualſyſtems glättete und neue Species zu ſammeln und zu beſchreiben fortfuhr. Es konnte nicht fehlen, daß auf dieſe Weiſe die Botanik nach und nach aufhörte, überhaupt eine Wiſſenſchaft zu ſein; ſelbſt die Einzelbeſchreibung, welche Linné zu einer Kunſt erhoben hatte, wurde in den Händen dieſer Art von Nach- folgern wieder laxer und ſchlaffer gehandhabt, an die Stelle der morphologiſchen Betrachtung der Pflanzentheile trat eine immer mehr und mehr ſich ausdehnende Anhäufung von Kunſtausdrücken,
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Drittes Capitel.
Bearbeitung des natürlichen Syſtems unter dem Dogma von
der Conſtanz der Arten.
1759-1850.
Nach 1750 brach ſich Linné's Nomenclatur der Organe,
ſowie die binäre Benennung der Arten allgemein Bahn, der
Widerſtand, den ſeine Lehren bis dahin gefunden hatten, ver-
ſtummte nach und nach und wenn auch nicht Alles, was Linné
lehrte, überall angenommen wurde, ſo ward doch ſeine Behand-
lung der Beſchreibungskunſt bald das Gemeingut aller Botaniker.
Im weiteren Verfolg aber zeigte ſich eine Spaltung in
zwei ſehr verſchiedene Richtungen: die meiſten deutſchen, engliſchen
und ſchwediſchen Botaniker hielten ſich ganz ſtreng an den Aus-
ſpruch Linné's: Je mehr Species ein Botaniker kennt, deſto
vorzüglicher iſt er; ſie nahmen das Linné'ſche Sexualſyſtem
als eine die Wiſſenſchaft in jeder Beziehung abſchließende Leiſtung
hin, ihrer Meinung nach hatte die Botanik in ihm ihren
Gipfel erreicht; ein Fortſchritt konnte nur noch im Einzelnen
ſtattfinden, indem man manche Unebenheiten des Linné'ſchen
Sexualſyſtems glättete und neue Species zu ſammeln und zu
beſchreiben fortfuhr. Es konnte nicht fehlen, daß auf dieſe Weiſe
die Botanik nach und nach aufhörte, überhaupt eine Wiſſenſchaft
zu ſein; ſelbſt die Einzelbeſchreibung, welche Linné zu einer
Kunſt erhoben hatte, wurde in den Händen dieſer Art von Nach-
folgern wieder laxer und ſchlaffer gehandhabt, an die Stelle der
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/128>, abgerufen am 22.12.2024.
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