Es war um die Mitte der Fünfziger-Jahre, im Hoch¬ sommer, als ich, damals noch in Militärdiensten stehend, mit einer Abtheilung meines Regimentes in dem mährischen Städt¬ chen K . . . einrückte. Wir waren schon vor Tag aufgebrochen; hatten, während die Sonne immer heißer niederbrannte, über vier Meilen auf der staubigen Heerstraße zurückgelegt, und so begrüßten wir den freundlichen Ort, wo uns nach mehrtägigen Eilmärschen ein Ruhetag gestattet war, auf's freudigste. Ein Theil der Einwohnerschaft war uns schon ein gutes Stück entgegen gekommen und schritt uns jetzt bei den lustigen Klän¬ gen unserer Musik voran. Reinlich und einladend lagen die Gassen da, viele Häuser von Bäumen beschattet oder mit netten Vorgärtchen versehen. Hier und dort lugte noch, halb versteckt, ein rosiges Mädchenantlitz hinter weißen Fenstergardinen her¬ vor, und auf dem Marktplatze, wo wir hielten, zeigten sich stattliche Gastwirthschaften, unseren ermatteten Leibern und verlechzten Kehlen Stärkung und Erquickung verheißend. Ich fühlte mich daher nicht sehr angenehm überrascht, als ich be¬ deutet wurde, daß mir und meiner Mannschaft zur Unterkunft
I.
Es war um die Mitte der Fünfziger-Jahre, im Hoch¬ ſommer, als ich, damals noch in Militärdienſten ſtehend, mit einer Abtheilung meines Regimentes in dem mähriſchen Städt¬ chen K . . . einrückte. Wir waren ſchon vor Tag aufgebrochen; hatten, während die Sonne immer heißer niederbrannte, über vier Meilen auf der ſtaubigen Heerſtraße zurückgelegt, und ſo begrüßten wir den freundlichen Ort, wo uns nach mehrtägigen Eilmärſchen ein Ruhetag geſtattet war, auf's freudigſte. Ein Theil der Einwohnerſchaft war uns ſchon ein gutes Stück entgegen gekommen und ſchritt uns jetzt bei den luſtigen Klän¬ gen unſerer Muſik voran. Reinlich und einladend lagen die Gaſſen da, viele Häuſer von Bäumen beſchattet oder mit netten Vorgärtchen verſehen. Hier und dort lugte noch, halb verſteckt, ein roſiges Mädchenantlitz hinter weißen Fenſtergardinen her¬ vor, und auf dem Marktplatze, wo wir hielten, zeigten ſich ſtattliche Gaſtwirthſchaften, unſeren ermatteten Leibern und verlechzten Kehlen Stärkung und Erquickung verheißend. Ich fühlte mich daher nicht ſehr angenehm überraſcht, als ich be¬ deutet wurde, daß mir und meiner Mannſchaft zur Unterkunft
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I.
Es war um die Mitte der Fünfziger-Jahre, im Hoch¬
ſommer, als ich, damals noch in Militärdienſten ſtehend, mit
einer Abtheilung meines Regimentes in dem mähriſchen Städt¬
chen K . . . einrückte. Wir waren ſchon vor Tag aufgebrochen;
hatten, während die Sonne immer heißer niederbrannte, über
vier Meilen auf der ſtaubigen Heerſtraße zurückgelegt, und ſo
begrüßten wir den freundlichen Ort, wo uns nach mehrtägigen
Eilmärſchen ein Ruhetag geſtattet war, auf's freudigſte. Ein
Theil der Einwohnerſchaft war uns ſchon ein gutes Stück
entgegen gekommen und ſchritt uns jetzt bei den luſtigen Klän¬
gen unſerer Muſik voran. Reinlich und einladend lagen die
Gaſſen da, viele Häuſer von Bäumen beſchattet oder mit netten
Vorgärtchen verſehen. Hier und dort lugte noch, halb verſteckt,
ein roſiges Mädchenantlitz hinter weißen Fenſtergardinen her¬
vor, und auf dem Marktplatze, wo wir hielten, zeigten ſich
ſtattliche Gaſtwirthſchaften, unſeren ermatteten Leibern und
verlechzten Kehlen Stärkung und Erquickung verheißend. Ich
fühlte mich daher nicht ſehr angenehm überraſcht, als ich be¬
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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. [247]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/263>, abgerufen am 22.12.2024.
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