XIII. Entwurf einer Geschichte der umbrisch toscani- schen Kunstschulen, für das funfzehnte Jahr- hundert.
Stufenweis haben wir uns der Epoche angenähert, in welcher die Kunstgeschichte in eben dem Maße an Sicherheit und Ausführlichkeit gewinnt, als ihre Quellen reichlicher zu fließen beginnen; von nun an will ich die Ergänzung und Berichtigung des Einzelnen der Darstellung des Allgemeinen und Durchwaltenden, die vereinzelten Künstler den Schulen unterordnen, aus welchen sie hervorgegangen sind.
Schule, nenne ich die lebendige Fortpflanzung von Stim- mungen, Richtungen, Handhabungen, deren Entstehung aus dem Beyspiel und aus den Einwirkungen mächtiger Geister in den meisten Fällen umständlich nachzuweisen ist. Schule in diesem Sinne pflegt auch dem flüchtigen Blicke durch Ei- genthümlichkeit der Auffassung sich anzukündigen, entschiedener vielleicht durch Eigenthümlichkeiten der Manier und Formen- gebung.
Allerdings nun dürfen die Kunstschulen, da sie nothwen- dig irgendwo zu Hause sind, auch wohl einmal nach der Oert- lichkeit, in welcher sie sich entfaltet haben, benannt werden. Indeß geschiehet es nicht selten, daß deren Stifter ihre Hei- math vertauschen und an verschiedenen und weit entlegenen Stellen geistige und technische Anregungen verbreiten. Auch
XIII. Entwurf einer Geſchichte der umbriſch toscani- ſchen Kunſtſchulen, fuͤr das funfzehnte Jahr- hundert.
Stufenweis haben wir uns der Epoche angenaͤhert, in welcher die Kunſtgeſchichte in eben dem Maße an Sicherheit und Ausfuͤhrlichkeit gewinnt, als ihre Quellen reichlicher zu fließen beginnen; von nun an will ich die Ergaͤnzung und Berichtigung des Einzelnen der Darſtellung des Allgemeinen und Durchwaltenden, die vereinzelten Kuͤnſtler den Schulen unterordnen, aus welchen ſie hervorgegangen ſind.
Schule, nenne ich die lebendige Fortpflanzung von Stim- mungen, Richtungen, Handhabungen, deren Entſtehung aus dem Beyſpiel und aus den Einwirkungen maͤchtiger Geiſter in den meiſten Faͤllen umſtaͤndlich nachzuweiſen iſt. Schule in dieſem Sinne pflegt auch dem fluͤchtigen Blicke durch Ei- genthuͤmlichkeit der Auffaſſung ſich anzukuͤndigen, entſchiedener vielleicht durch Eigenthuͤmlichkeiten der Manier und Formen- gebung.
Allerdings nun duͤrfen die Kunſtſchulen, da ſie nothwen- dig irgendwo zu Hauſe ſind, auch wohl einmal nach der Oert- lichkeit, in welcher ſie ſich entfaltet haben, benannt werden. Indeß geſchiehet es nicht ſelten, daß deren Stifter ihre Hei- math vertauſchen und an verſchiedenen und weit entlegenen Stellen geiſtige und techniſche Anregungen verbreiten. Auch
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0228"n="210"/><divn="2"><head><hirendition="#aq">XIII.</hi><lb/>
Entwurf einer Geſchichte der umbriſch toscani-<lb/>ſchen Kunſtſchulen, fuͤr das funfzehnte Jahr-<lb/>
hundert.</head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Stufenweis haben wir uns der Epoche angenaͤhert, in<lb/>
welcher die Kunſtgeſchichte in eben dem Maße an Sicherheit<lb/>
und Ausfuͤhrlichkeit gewinnt, als ihre Quellen reichlicher zu<lb/>
fließen beginnen; von nun an will ich die Ergaͤnzung und<lb/>
Berichtigung des Einzelnen der Darſtellung des Allgemeinen<lb/>
und Durchwaltenden, die vereinzelten Kuͤnſtler den Schulen<lb/>
unterordnen, aus welchen ſie hervorgegangen ſind.</p><lb/><p>Schule, nenne ich die lebendige Fortpflanzung von Stim-<lb/>
mungen, Richtungen, Handhabungen, deren Entſtehung aus<lb/>
dem Beyſpiel und aus den Einwirkungen maͤchtiger Geiſter<lb/>
in den meiſten Faͤllen umſtaͤndlich nachzuweiſen iſt. Schule<lb/>
in dieſem Sinne pflegt auch dem fluͤchtigen Blicke durch Ei-<lb/>
genthuͤmlichkeit der Auffaſſung ſich anzukuͤndigen, entſchiedener<lb/>
vielleicht durch Eigenthuͤmlichkeiten der Manier und Formen-<lb/>
gebung.</p><lb/><p>Allerdings nun duͤrfen die Kunſtſchulen, da ſie nothwen-<lb/>
dig irgendwo zu Hauſe ſind, auch wohl einmal nach der Oert-<lb/>
lichkeit, in welcher ſie ſich entfaltet haben, benannt werden.<lb/>
Indeß geſchiehet es nicht ſelten, daß deren Stifter ihre Hei-<lb/>
math vertauſchen und an verſchiedenen und weit entlegenen<lb/>
Stellen geiſtige und techniſche Anregungen verbreiten. Auch<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[210/0228]
XIII.
Entwurf einer Geſchichte der umbriſch toscani-
ſchen Kunſtſchulen, fuͤr das funfzehnte Jahr-
hundert.
Stufenweis haben wir uns der Epoche angenaͤhert, in
welcher die Kunſtgeſchichte in eben dem Maße an Sicherheit
und Ausfuͤhrlichkeit gewinnt, als ihre Quellen reichlicher zu
fließen beginnen; von nun an will ich die Ergaͤnzung und
Berichtigung des Einzelnen der Darſtellung des Allgemeinen
und Durchwaltenden, die vereinzelten Kuͤnſtler den Schulen
unterordnen, aus welchen ſie hervorgegangen ſind.
Schule, nenne ich die lebendige Fortpflanzung von Stim-
mungen, Richtungen, Handhabungen, deren Entſtehung aus
dem Beyſpiel und aus den Einwirkungen maͤchtiger Geiſter
in den meiſten Faͤllen umſtaͤndlich nachzuweiſen iſt. Schule
in dieſem Sinne pflegt auch dem fluͤchtigen Blicke durch Ei-
genthuͤmlichkeit der Auffaſſung ſich anzukuͤndigen, entſchiedener
vielleicht durch Eigenthuͤmlichkeiten der Manier und Formen-
gebung.
Allerdings nun duͤrfen die Kunſtſchulen, da ſie nothwen-
dig irgendwo zu Hauſe ſind, auch wohl einmal nach der Oert-
lichkeit, in welcher ſie ſich entfaltet haben, benannt werden.
Indeß geſchiehet es nicht ſelten, daß deren Stifter ihre Hei-
math vertauſchen und an verſchiedenen und weit entlegenen
Stellen geiſtige und techniſche Anregungen verbreiten. Auch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/228>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.