Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 6. Leipzig, 1839.121. Mit meinen Söhnen ging ich wandernd über Land, Und es war wunderbar, wie ich mich da empfand. So reizend zweifelhaft war es mir nie erschienen, Ob ich ihr Führer sei, ob selbst geführt von ihnen. Sie mögen nun so fort stets unbedürft'ger schreiten, Und fähiger, mich gern bedürfenden zu leiten. 122. Es ärgerte mich wol, daß von den braunen Haaren So viel seit ein'ger Zeit mir grau geworden waren. Nun aber freu' ich mich, daß bei den grauen doch So viele braune sind geblieben immer noch. Und wann die grauen nun die braunen überwiegen, Wird es mich endlich freun, ein reines Grau zu kriegen. Als Knabe betet' ich, und jetzo werd' es wahr: "Gib, daß ich tragen mag mit Ehr'n ein graues Haar!" 121. Mit meinen Soͤhnen ging ich wandernd uͤber Land, Und es war wunderbar, wie ich mich da empfand. So reizend zweifelhaft war es mir nie erſchienen, Ob ich ihr Fuͤhrer ſei, ob ſelbſt gefuͤhrt von ihnen. Sie moͤgen nun ſo fort ſtets unbeduͤrft'ger ſchreiten, Und faͤhiger, mich gern beduͤrfenden zu leiten. 122. Es aͤrgerte mich wol, daß von den braunen Haaren So viel ſeit ein'ger Zeit mir grau geworden waren. Nun aber freu' ich mich, daß bei den grauen doch So viele braune ſind geblieben immer noch. Und wann die grauen nun die braunen uͤberwiegen, Wird es mich endlich freun, ein reines Grau zu kriegen. Als Knabe betet' ich, und jetzo werd' es wahr: „Gib, daß ich tragen mag mit Ehr'n ein graues Haar!“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0348" n="338"/> <div n="2"> <head>121.</head><lb/> <lg type="poem"> <l/> <lg n="1"> <l>Mit meinen Soͤhnen ging ich wandernd uͤber Land,</l><lb/> <l>Und es war wunderbar, wie ich mich da empfand.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>So reizend zweifelhaft war es mir nie erſchienen,</l><lb/> <l>Ob ich ihr Fuͤhrer ſei, ob ſelbſt gefuͤhrt von ihnen.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Sie moͤgen nun ſo fort ſtets unbeduͤrft'ger ſchreiten,</l><lb/> <l>Und faͤhiger, mich gern beduͤrfenden zu leiten.</l> </lg><lb/> <l/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>122.</head><lb/> <lg type="poem"> <l/> <lg n="1"> <l>Es aͤrgerte mich wol, daß von den braunen Haaren</l><lb/> <l>So viel ſeit ein'ger Zeit mir grau geworden waren.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Nun aber freu' ich mich, daß bei den grauen doch</l><lb/> <l>So viele braune ſind geblieben immer noch.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Und wann die grauen nun die braunen uͤberwiegen,</l><lb/> <l>Wird es mich endlich freun, ein reines Grau zu kriegen.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Als Knabe betet' ich, und jetzo werd' es wahr:</l><lb/> <l>„Gib, daß ich tragen mag mit Ehr'n ein graues Haar!“</l> </lg><lb/> <l/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [338/0348]
121.
Mit meinen Soͤhnen ging ich wandernd uͤber Land,
Und es war wunderbar, wie ich mich da empfand.
So reizend zweifelhaft war es mir nie erſchienen,
Ob ich ihr Fuͤhrer ſei, ob ſelbſt gefuͤhrt von ihnen.
Sie moͤgen nun ſo fort ſtets unbeduͤrft'ger ſchreiten,
Und faͤhiger, mich gern beduͤrfenden zu leiten.
122.
Es aͤrgerte mich wol, daß von den braunen Haaren
So viel ſeit ein'ger Zeit mir grau geworden waren.
Nun aber freu' ich mich, daß bei den grauen doch
So viele braune ſind geblieben immer noch.
Und wann die grauen nun die braunen uͤberwiegen,
Wird es mich endlich freun, ein reines Grau zu kriegen.
Als Knabe betet' ich, und jetzo werd' es wahr:
„Gib, daß ich tragen mag mit Ehr'n ein graues Haar!“
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