Mit meinen Söhnen ging ich wandernd über Land, Und es war wunderbar, wie ich mich da empfand.
So reizend zweifelhaft war es mir nie erschienen, Ob ich ihr Führer sei, ob selbst geführt von ihnen.
Sie mögen nun so fort stets unbedürft'ger schreiten, Und fähiger, mich gern bedürfenden zu leiten.
122.
Es ärgerte mich wol, daß von den braunen Haaren So viel seit ein'ger Zeit mir grau geworden waren.
Nun aber freu' ich mich, daß bei den grauen doch So viele braune sind geblieben immer noch.
Und wann die grauen nun die braunen überwiegen, Wird es mich endlich freun, ein reines Grau zu kriegen.
Als Knabe betet' ich, und jetzo werd' es wahr: "Gib, daß ich tragen mag mit Ehr'n ein graues Haar!"
121.
Mit meinen Soͤhnen ging ich wandernd uͤber Land, Und es war wunderbar, wie ich mich da empfand.
So reizend zweifelhaft war es mir nie erſchienen, Ob ich ihr Fuͤhrer ſei, ob ſelbſt gefuͤhrt von ihnen.
Sie moͤgen nun ſo fort ſtets unbeduͤrft'ger ſchreiten, Und faͤhiger, mich gern beduͤrfenden zu leiten.
122.
Es aͤrgerte mich wol, daß von den braunen Haaren So viel ſeit ein'ger Zeit mir grau geworden waren.
Nun aber freu' ich mich, daß bei den grauen doch So viele braune ſind geblieben immer noch.
Und wann die grauen nun die braunen uͤberwiegen, Wird es mich endlich freun, ein reines Grau zu kriegen.
Als Knabe betet' ich, und jetzo werd' es wahr: „Gib, daß ich tragen mag mit Ehr'n ein graues Haar!“
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0348"n="338"/><divn="2"><head>121.</head><lb/><lgtype="poem"><l/><lgn="1"><l>Mit meinen Soͤhnen ging ich wandernd uͤber Land,</l><lb/><l>Und es war wunderbar, wie ich mich da empfand.</l></lg><lb/><lgn="2"><l>So reizend zweifelhaft war es mir nie erſchienen,</l><lb/><l>Ob ich ihr Fuͤhrer ſei, ob ſelbſt gefuͤhrt von ihnen.</l></lg><lb/><lgn="3"><l>Sie moͤgen nun ſo fort ſtets unbeduͤrft'ger ſchreiten,</l><lb/><l>Und faͤhiger, mich gern beduͤrfenden zu leiten.</l></lg><lb/><l/></lg></div><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head>122.</head><lb/><lgtype="poem"><l/><lgn="1"><l>Es aͤrgerte mich wol, daß von den braunen Haaren</l><lb/><l>So viel ſeit ein'ger Zeit mir grau geworden waren.</l></lg><lb/><lgn="2"><l>Nun aber freu' ich mich, daß bei den grauen doch</l><lb/><l>So viele braune ſind geblieben immer noch.</l></lg><lb/><lgn="3"><l>Und wann die grauen nun die braunen uͤberwiegen,</l><lb/><l>Wird es mich endlich freun, ein reines Grau zu kriegen.</l></lg><lb/><lgn="4"><l>Als Knabe betet' ich, und jetzo werd' es wahr:</l><lb/><l>„Gib, daß ich tragen mag mit Ehr'n ein graues Haar!“</l></lg><lb/><l/></lg></div><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[338/0348]
121.
Mit meinen Soͤhnen ging ich wandernd uͤber Land,
Und es war wunderbar, wie ich mich da empfand.
So reizend zweifelhaft war es mir nie erſchienen,
Ob ich ihr Fuͤhrer ſei, ob ſelbſt gefuͤhrt von ihnen.
Sie moͤgen nun ſo fort ſtets unbeduͤrft'ger ſchreiten,
Und faͤhiger, mich gern beduͤrfenden zu leiten.
122.
Es aͤrgerte mich wol, daß von den braunen Haaren
So viel ſeit ein'ger Zeit mir grau geworden waren.
Nun aber freu' ich mich, daß bei den grauen doch
So viele braune ſind geblieben immer noch.
Und wann die grauen nun die braunen uͤberwiegen,
Wird es mich endlich freun, ein reines Grau zu kriegen.
Als Knabe betet' ich, und jetzo werd' es wahr:
„Gib, daß ich tragen mag mit Ehr'n ein graues Haar!“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 6. Leipzig, 1839, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane06_1839/348>, abgerufen am 22.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.