Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 6. Leipzig, 1839.93. Der Einsicht schadet nur Gelehrsamkeit zu große, Besser als Brillen sieht gesunder Sinn der bloße. Hast du erst nachgesehn, wie die Ausleger es Verstehn, so bist du blind; sieh selber und verstehs! 94. "Laß über dieses Buch uns nun zum Urtheil schreiten!" Das Urtheil ist nicht leicht, das Buch hat viele Seiten. Fragst du, was du daraus für Kopf und Herz gewannst, So ists ein Buch das du genug nicht schätzen kannst. Fragst du nach dem Genuß, so ist es zu genießen Wie schöne Rosen, die an garstigen Dornen sprießen. Du freuest immer fort dich jeder schönen Blüte,
Und fühlest stets dabei den Stachel im Gemüte. 93. Der Einſicht ſchadet nur Gelehrſamkeit zu große, Beſſer als Brillen ſieht geſunder Sinn der bloße. Haſt du erſt nachgeſehn, wie die Ausleger es Verſtehn, ſo biſt du blind; ſieh ſelber und verſtehs! 94. „Laß uͤber dieſes Buch uns nun zum Urtheil ſchreiten!“ Das Urtheil iſt nicht leicht, das Buch hat viele Seiten. Fragſt du, was du daraus fuͤr Kopf und Herz gewannſt, So iſts ein Buch das du genug nicht ſchaͤtzen kannſt. Fragſt du nach dem Genuß, ſo iſt es zu genießen Wie ſchoͤne Roſen, die an garſtigen Dornen ſprießen. Du freueſt immer fort dich jeder ſchoͤnen Bluͤte,
Und fuͤhleſt ſtets dabei den Stachel im Gemuͤte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0333" n="323"/> <div n="2"> <head>93.</head><lb/> <lg type="poem"> <l/> <lg n="1"> <l>Der Einſicht ſchadet nur Gelehrſamkeit zu große,</l><lb/> <l>Beſſer als Brillen ſieht geſunder Sinn der bloße.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Haſt du erſt nachgeſehn, wie die Ausleger es</l><lb/> <l>Verſtehn, ſo biſt du blind; ſieh ſelber und verſtehs!</l> </lg><lb/> <l/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>94.</head><lb/> <lg type="poem"> <l/> <lg n="1"> <l>„Laß uͤber dieſes Buch uns nun zum Urtheil ſchreiten!“</l><lb/> <l>Das Urtheil iſt nicht leicht, das Buch hat viele Seiten.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Fragſt du, was du daraus fuͤr Kopf und Herz gewannſt,</l><lb/> <l>So iſts ein Buch das du genug nicht ſchaͤtzen kannſt.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Fragſt du nach dem Genuß, ſo iſt es zu genießen</l><lb/> <l>Wie ſchoͤne Roſen, die an garſtigen Dornen ſprießen.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Du freueſt immer fort dich jeder ſchoͤnen Bluͤte,</l><lb/> <l>Und fuͤhleſt ſtets dabei den Stachel im Gemuͤte.</l> </lg><lb/> <l> </l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [323/0333]
93.
Der Einſicht ſchadet nur Gelehrſamkeit zu große,
Beſſer als Brillen ſieht geſunder Sinn der bloße.
Haſt du erſt nachgeſehn, wie die Ausleger es
Verſtehn, ſo biſt du blind; ſieh ſelber und verſtehs!
94.
„Laß uͤber dieſes Buch uns nun zum Urtheil ſchreiten!“
Das Urtheil iſt nicht leicht, das Buch hat viele Seiten.
Fragſt du, was du daraus fuͤr Kopf und Herz gewannſt,
So iſts ein Buch das du genug nicht ſchaͤtzen kannſt.
Fragſt du nach dem Genuß, ſo iſt es zu genießen
Wie ſchoͤne Roſen, die an garſtigen Dornen ſprießen.
Du freueſt immer fort dich jeder ſchoͤnen Bluͤte,
Und fuͤhleſt ſtets dabei den Stachel im Gemuͤte.
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Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 6. Leipzig, 1839, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane06_1839/333>, abgerufen am 22.02.2025. |