Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 6. Leipzig, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite
44.
Die Flur, auf deren Grün geliebte Blicke weilten,
Durch deren Morgenthau geliebte Tritt' enteilten,
Hat einen Farbenschmelz, hat einen Sonnenglanz,
Mit dem wetteifern kann kein blühndster Frühlingskranz.
Der Frühling kommt und geht, kehrt wieder, wird vergessen;
Wo Mirten dufteten, da schauern nun Zipressen:
Doch nie vergißt mein Herz ein Glück, einst hier besessen.

45.
Beim Schlafengehn, als ich das Licht löscht' in der Nacht,
Kam ein Gedanke mir, den ich noch nie gedacht:
Verloschen ist das Licht des Tages, und dazu
Hier seinen schwachen Stellvertreter löschest du.
Und weißt du, ob das Licht dein Auge wieder sieht,
Ob ew'ge Nacht es nicht in dieser Nacht umzieht?

44.
Die Flur, auf deren Gruͤn geliebte Blicke weilten,
Durch deren Morgenthau geliebte Tritt' enteilten,
Hat einen Farbenſchmelz, hat einen Sonnenglanz,
Mit dem wetteifern kann kein bluͤhndſter Fruͤhlingskranz.
Der Fruͤhling kommt und geht, kehrt wieder, wird vergeſſen;
Wo Mirten dufteten, da ſchauern nun Zipreſſen:
Doch nie vergißt mein Herz ein Gluͤck, einſt hier beſeſſen.

45.
Beim Schlafengehn, als ich das Licht loͤſcht' in der Nacht,
Kam ein Gedanke mir, den ich noch nie gedacht:
Verloſchen iſt das Licht des Tages, und dazu
Hier ſeinen ſchwachen Stellvertreter loͤſcheſt du.
Und weißt du, ob das Licht dein Auge wieder ſieht,
Ob ew'ge Nacht es nicht in dieſer Nacht umzieht?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0304" n="294"/>
        <div n="2">
          <head>44.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l/>
            <lg n="1">
              <l>Die Flur, auf deren Gru&#x0364;n geliebte Blicke weilten,</l><lb/>
              <l>Durch deren Morgenthau geliebte Tritt' enteilten,</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Hat einen Farben&#x017F;chmelz, hat einen Sonnenglanz,</l><lb/>
              <l>Mit dem wetteifern kann kein blu&#x0364;hnd&#x017F;ter Fru&#x0364;hlingskranz.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Der Fru&#x0364;hling kommt und geht, kehrt wieder, wird verge&#x017F;&#x017F;en;</l><lb/>
              <l>Wo Mirten dufteten, da &#x017F;chauern nun Zipre&#x017F;&#x017F;en:</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Doch nie vergißt mein Herz ein Glu&#x0364;ck, ein&#x017F;t hier be&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en.</l>
            </lg><lb/>
            <l/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>45.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l/>
            <lg n="1">
              <l>Beim Schlafengehn, als ich das Licht lo&#x0364;&#x017F;cht' in der Nacht,</l><lb/>
              <l>Kam ein Gedanke mir, den ich noch nie gedacht:</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Verlo&#x017F;chen i&#x017F;t das Licht des Tages, und dazu</l><lb/>
              <l>Hier &#x017F;einen &#x017F;chwachen Stellvertreter lo&#x0364;&#x017F;che&#x017F;t du.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Und weißt du, ob das Licht dein Auge wieder &#x017F;ieht,</l><lb/>
              <l>Ob ew'ge Nacht es nicht in die&#x017F;er Nacht umzieht?</l>
            </lg><lb/>
            <l/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[294/0304] 44. Die Flur, auf deren Gruͤn geliebte Blicke weilten, Durch deren Morgenthau geliebte Tritt' enteilten, Hat einen Farbenſchmelz, hat einen Sonnenglanz, Mit dem wetteifern kann kein bluͤhndſter Fruͤhlingskranz. Der Fruͤhling kommt und geht, kehrt wieder, wird vergeſſen; Wo Mirten dufteten, da ſchauern nun Zipreſſen: Doch nie vergißt mein Herz ein Gluͤck, einſt hier beſeſſen. 45. Beim Schlafengehn, als ich das Licht loͤſcht' in der Nacht, Kam ein Gedanke mir, den ich noch nie gedacht: Verloſchen iſt das Licht des Tages, und dazu Hier ſeinen ſchwachen Stellvertreter loͤſcheſt du. Und weißt du, ob das Licht dein Auge wieder ſieht, Ob ew'ge Nacht es nicht in dieſer Nacht umzieht?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane06_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane06_1839/304
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 6. Leipzig, 1839, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane06_1839/304>, abgerufen am 21.11.2024.