Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 6. Leipzig, 1839.53. Zwei Dichter weiß ich, die zur höchsten Höhe flogen, Und bald Nachahmung bald Bewundrung nach sich zogen. Doch zog der eine meist nach sich die größre Schaar, Indeß des andern die gewählte kleinre war. Ein hohes Ideal dem einen schwebte vor, Zu dem er unverwandt sein Antlitz hielt empor, Und seinen Flug; doch nie konnt' es der Flug erreichen; Je höher er sich hob, je höher mußt' es weichen. Vom Ideale selbst der andre flog gehoben; Er war stets wo es war, nie unten er, es oben. Kein Aeußerliches wars, wonach er ringend strebte, Es war sein Innres selbst, das was er war und lebte. Dem ringe nach! Es kann mit rechter Kraftanwendung Der Mensch auf jeder Stuf' erreichen die Vollendung. 53. Zwei Dichter weiß ich, die zur hoͤchſten Hoͤhe flogen, Und bald Nachahmung bald Bewundrung nach ſich zogen. Doch zog der eine meiſt nach ſich die groͤßre Schaar, Indeß des andern die gewaͤhlte kleinre war. Ein hohes Ideal dem einen ſchwebte vor, Zu dem er unverwandt ſein Antlitz hielt empor, Und ſeinen Flug; doch nie konnt' es der Flug erreichen; Je hoͤher er ſich hob, je hoͤher mußt' es weichen. Vom Ideale ſelbſt der andre flog gehoben; Er war ſtets wo es war, nie unten er, es oben. Kein Aeußerliches wars, wonach er ringend ſtrebte, Es war ſein Innres ſelbſt, das was er war und lebte. Dem ringe nach! Es kann mit rechter Kraftanwendung Der Menſch auf jeder Stuf' erreichen die Vollendung. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0274" n="264"/> <div n="2"> <head>53.</head><lb/> <lg type="poem"> <l/> <lg n="1"> <l>Zwei Dichter weiß ich, die zur hoͤchſten Hoͤhe flogen,</l><lb/> <l>Und bald Nachahmung bald Bewundrung nach ſich zogen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Doch zog der eine meiſt nach ſich die groͤßre Schaar,</l><lb/> <l>Indeß des andern die gewaͤhlte kleinre war.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Ein hohes Ideal dem einen ſchwebte vor,</l><lb/> <l>Zu dem er unverwandt ſein Antlitz hielt empor,</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Und ſeinen Flug; doch nie konnt' es der Flug erreichen;</l><lb/> <l>Je hoͤher er ſich hob, je hoͤher mußt' es weichen.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Vom Ideale ſelbſt der andre flog gehoben;</l><lb/> <l>Er war ſtets wo es war, nie unten er, es oben.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Kein Aeußerliches wars, wonach er ringend ſtrebte,</l><lb/> <l>Es war ſein Innres ſelbſt, das was er war und lebte.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Dem ringe nach! Es kann mit rechter Kraftanwendung</l><lb/> <l>Der Menſch auf jeder Stuf' erreichen die Vollendung.</l> </lg><lb/> <l/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [264/0274]
53.
Zwei Dichter weiß ich, die zur hoͤchſten Hoͤhe flogen,
Und bald Nachahmung bald Bewundrung nach ſich zogen.
Doch zog der eine meiſt nach ſich die groͤßre Schaar,
Indeß des andern die gewaͤhlte kleinre war.
Ein hohes Ideal dem einen ſchwebte vor,
Zu dem er unverwandt ſein Antlitz hielt empor,
Und ſeinen Flug; doch nie konnt' es der Flug erreichen;
Je hoͤher er ſich hob, je hoͤher mußt' es weichen.
Vom Ideale ſelbſt der andre flog gehoben;
Er war ſtets wo es war, nie unten er, es oben.
Kein Aeußerliches wars, wonach er ringend ſtrebte,
Es war ſein Innres ſelbſt, das was er war und lebte.
Dem ringe nach! Es kann mit rechter Kraftanwendung
Der Menſch auf jeder Stuf' erreichen die Vollendung.
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