Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 6. Leipzig, 1839.15. Dem Dichter ist das Weib die liebste Richterin, Besonders wenn sie selbst ist keine Dichterin. Doch sei sie Dicht'rin auch, wenn sie Gefühl nur singt Gemäßigtes, das rein aus ihrer Brust entspringt. Noch widriger als die den Schlei'r der Zucht zerreißt, Ist die ausschweifender Empfindung sich befleißt. 16. Die Kürze lieb' ich sehr, der Rede Bündigkeit, Wodurch ein Dichtermund zeigt seine Mündigkeit. Vielwortigkeit ists die den Schüler nur verklagt, Daß er das eine Wort nicht traf, das Alles sagt. Doch wo der ringende Gedank' ist überschwänglich, Ist Widerholung auch dem Meister unumgänglich. Wo du das Thema nicht vermagst hervorzutonen, Erschöpfen mußt du es in Variazionen. 15. Dem Dichter iſt das Weib die liebſte Richterin, Beſonders wenn ſie ſelbſt iſt keine Dichterin. Doch ſei ſie Dicht'rin auch, wenn ſie Gefuͤhl nur ſingt Gemaͤßigtes, das rein aus ihrer Bruſt entſpringt. Noch widriger als die den Schlei'r der Zucht zerreißt, Iſt die ausſchweifender Empfindung ſich befleißt. 16. Die Kuͤrze lieb' ich ſehr, der Rede Buͤndigkeit, Wodurch ein Dichtermund zeigt ſeine Muͤndigkeit. Vielwortigkeit iſts die den Schuͤler nur verklagt, Daß er das eine Wort nicht traf, das Alles ſagt. Doch wo der ringende Gedank' iſt uͤberſchwaͤnglich, Iſt Widerholung auch dem Meiſter unumgaͤnglich. Wo du das Thema nicht vermagſt hervorzutonen, Erſchoͤpfen mußt du es in Variazionen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0249" n="239"/> <div n="2"> <head>15.</head><lb/> <lg type="poem"> <l/> <lg n="1"> <l>Dem Dichter iſt das Weib die liebſte Richterin,</l><lb/> <l>Beſonders wenn ſie ſelbſt iſt keine Dichterin.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Doch ſei ſie Dicht'rin auch, wenn ſie Gefuͤhl nur ſingt</l><lb/> <l>Gemaͤßigtes, das rein aus ihrer Bruſt entſpringt.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Noch widriger als die den Schlei'r der Zucht zerreißt,</l><lb/> <l>Iſt die ausſchweifender Empfindung ſich befleißt.</l> </lg><lb/> <l/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>16.</head><lb/> <lg type="poem"> <l/> <lg n="1"> <l>Die Kuͤrze lieb' ich ſehr, der Rede Buͤndigkeit,</l><lb/> <l>Wodurch ein Dichtermund zeigt ſeine Muͤndigkeit.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Vielwortigkeit iſts die den Schuͤler nur verklagt,</l><lb/> <l>Daß er das eine Wort nicht traf, das Alles ſagt.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Doch wo der ringende Gedank' iſt uͤberſchwaͤnglich,</l><lb/> <l>Iſt Widerholung auch dem Meiſter unumgaͤnglich.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Wo du das Thema nicht vermagſt hervorzutonen,</l><lb/> <l>Erſchoͤpfen mußt du es in Variazionen.</l> </lg><lb/> <l/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [239/0249]
15.
Dem Dichter iſt das Weib die liebſte Richterin,
Beſonders wenn ſie ſelbſt iſt keine Dichterin.
Doch ſei ſie Dicht'rin auch, wenn ſie Gefuͤhl nur ſingt
Gemaͤßigtes, das rein aus ihrer Bruſt entſpringt.
Noch widriger als die den Schlei'r der Zucht zerreißt,
Iſt die ausſchweifender Empfindung ſich befleißt.
16.
Die Kuͤrze lieb' ich ſehr, der Rede Buͤndigkeit,
Wodurch ein Dichtermund zeigt ſeine Muͤndigkeit.
Vielwortigkeit iſts die den Schuͤler nur verklagt,
Daß er das eine Wort nicht traf, das Alles ſagt.
Doch wo der ringende Gedank' iſt uͤberſchwaͤnglich,
Iſt Widerholung auch dem Meiſter unumgaͤnglich.
Wo du das Thema nicht vermagſt hervorzutonen,
Erſchoͤpfen mußt du es in Variazionen.
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