Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 6. Leipzig, 1839.Bewegt die beiden nicht des Stromes gleiche Kraft? Und doch bleibt eins zurück? was hält es denn in Haft? Geladen hat es Stein', und jenes leichtes Holz; Darum geht es so träg', und jenes wie ein Bolz. Am Strome liegt es, daß die beiden sich bewegen; Daß eines bleibt zurück, ist nicht am Strom gelegen. Wer aber hat das Schiff, das arme, so beladen, Daß es theilnehmen voll nicht kann am Strom der Gnaden? 71. Dem Menschenwitze wars vonje die schwerste Plage, Wie seine Freiheit sich mit Gottes Rath vertrage. Die zwei vertragen sich durch eine Auskunft bloß: Dein Spielraum, Mensch, ist klein, der Gottes ist gar groß. Du magst in deinem Raum mit Freiheit dich geberden, Durch dich unselig auch, durch dich auch selig werden. Er aber hat es vorgesehn und vorgedacht, Daß all dein Wille nur den seinen wirklich macht. Bewegt die beiden nicht des Stromes gleiche Kraft? Und doch bleibt eins zuruͤck? was haͤlt es denn in Haft? Geladen hat es Stein', und jenes leichtes Holz; Darum geht es ſo traͤg', und jenes wie ein Bolz. Am Strome liegt es, daß die beiden ſich bewegen; Daß eines bleibt zuruͤck, iſt nicht am Strom gelegen. Wer aber hat das Schiff, das arme, ſo beladen, Daß es theilnehmen voll nicht kann am Strom der Gnaden? 71. Dem Menſchenwitze wars vonje die ſchwerſte Plage, Wie ſeine Freiheit ſich mit Gottes Rath vertrage. Die zwei vertragen ſich durch eine Auskunft bloß: Dein Spielraum, Menſch, iſt klein, der Gottes iſt gar groß. Du magſt in deinem Raum mit Freiheit dich geberden, Durch dich unſelig auch, durch dich auch ſelig werden. Er aber hat es vorgeſehn und vorgedacht, Daß all dein Wille nur den ſeinen wirklich macht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <l> <pb facs="#f0164" n="154"/> </l> <lg n="3"> <l>Bewegt die beiden nicht des Stromes gleiche Kraft?</l><lb/> <l>Und doch bleibt eins zuruͤck? was haͤlt es denn in Haft?</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Geladen hat es Stein', und jenes leichtes Holz;</l><lb/> <l>Darum geht es ſo traͤg', und jenes wie ein Bolz.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Am Strome liegt es, daß die beiden ſich bewegen;</l><lb/> <l>Daß eines bleibt zuruͤck, iſt nicht am Strom gelegen.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Wer aber hat das Schiff, das arme, ſo beladen,</l><lb/> <l>Daß es theilnehmen voll nicht kann am Strom der Gnaden?</l> </lg><lb/> <l/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>71.</head><lb/> <lg type="poem"> <l/> <lg n="1"> <l>Dem Menſchenwitze wars vonje die ſchwerſte Plage,</l><lb/> <l>Wie ſeine Freiheit ſich mit Gottes Rath vertrage.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Die zwei vertragen ſich durch eine Auskunft bloß:</l><lb/> <l>Dein Spielraum, Menſch, iſt klein, der Gottes iſt gar groß.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Du magſt in deinem Raum mit Freiheit dich geberden,</l><lb/> <l>Durch dich unſelig auch, durch dich auch ſelig werden.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Er aber hat es vorgeſehn und vorgedacht,</l><lb/> <l>Daß all dein Wille nur den ſeinen wirklich macht.</l> </lg><lb/> <l/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [154/0164]
Bewegt die beiden nicht des Stromes gleiche Kraft?
Und doch bleibt eins zuruͤck? was haͤlt es denn in Haft?
Geladen hat es Stein', und jenes leichtes Holz;
Darum geht es ſo traͤg', und jenes wie ein Bolz.
Am Strome liegt es, daß die beiden ſich bewegen;
Daß eines bleibt zuruͤck, iſt nicht am Strom gelegen.
Wer aber hat das Schiff, das arme, ſo beladen,
Daß es theilnehmen voll nicht kann am Strom der Gnaden?
71.
Dem Menſchenwitze wars vonje die ſchwerſte Plage,
Wie ſeine Freiheit ſich mit Gottes Rath vertrage.
Die zwei vertragen ſich durch eine Auskunft bloß:
Dein Spielraum, Menſch, iſt klein, der Gottes iſt gar groß.
Du magſt in deinem Raum mit Freiheit dich geberden,
Durch dich unſelig auch, durch dich auch ſelig werden.
Er aber hat es vorgeſehn und vorgedacht,
Daß all dein Wille nur den ſeinen wirklich macht.
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Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 6. Leipzig, 1839, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane06_1839/164>, abgerufen am 22.02.2025. |