Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 6. Leipzig, 1839.54. Daheim im stillen Haus die Seele war befangen, Derweil der Geist hinaus war in die Welt gegangen. Die Körperwelt hindurch drang er zur Geisterwelt, Und dachte kaum zurück zur Seel' im stillen Zelt. Doch als er durch die Welt gekommen war ein Stück, Nahm mit dem Reis'ertrag er seinen Weg zurück. Er kam und fand die Seel' am Webstuhl eingeschlafen, Und mit erzürntem Wort begann er sie zu strafen. Mit Seelenruhe doch die Seele sich erhob Und lächelte: Sieh her! ich schlief nicht, sondern wob. Er sah; gewachsen war im Schlaf das aufgezogene Gewebe wunderbar; so glaubt' ihr der Betrogene. 54. Daheim im ſtillen Haus die Seele war befangen, Derweil der Geiſt hinaus war in die Welt gegangen. Die Koͤrperwelt hindurch drang er zur Geiſterwelt, Und dachte kaum zuruͤck zur Seel' im ſtillen Zelt. Doch als er durch die Welt gekommen war ein Stuͤck, Nahm mit dem Reiſ'ertrag er ſeinen Weg zuruͤck. Er kam und fand die Seel' am Webſtuhl eingeſchlafen, Und mit erzuͤrntem Wort begann er ſie zu ſtrafen. Mit Seelenruhe doch die Seele ſich erhob Und laͤchelte: Sieh her! ich ſchlief nicht, ſondern wob. Er ſah; gewachſen war im Schlaf das aufgezogene Gewebe wunderbar; ſo glaubt' ihr der Betrogene. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0154" n="144"/> <div n="2"> <head>54.</head><lb/> <lg type="poem"> <l/> <lg n="1"> <l>Daheim im ſtillen Haus die Seele war befangen,</l><lb/> <l>Derweil der Geiſt hinaus war in die Welt gegangen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Die Koͤrperwelt hindurch drang er zur Geiſterwelt,</l><lb/> <l>Und dachte kaum zuruͤck zur Seel' im ſtillen Zelt.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Doch als er durch die Welt gekommen war ein Stuͤck,</l><lb/> <l>Nahm mit dem Reiſ'ertrag er ſeinen Weg zuruͤck.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Er kam und fand die Seel' am Webſtuhl eingeſchlafen,</l><lb/> <l>Und mit erzuͤrntem Wort begann er ſie zu ſtrafen.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Mit Seelenruhe doch die Seele ſich erhob</l><lb/> <l>Und laͤchelte: Sieh her! ich ſchlief nicht, ſondern wob.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Er ſah; gewachſen war im Schlaf das aufgezogene</l><lb/> <l>Gewebe wunderbar; ſo glaubt' ihr der Betrogene.</l> </lg><lb/> <l/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [144/0154]
54.
Daheim im ſtillen Haus die Seele war befangen,
Derweil der Geiſt hinaus war in die Welt gegangen.
Die Koͤrperwelt hindurch drang er zur Geiſterwelt,
Und dachte kaum zuruͤck zur Seel' im ſtillen Zelt.
Doch als er durch die Welt gekommen war ein Stuͤck,
Nahm mit dem Reiſ'ertrag er ſeinen Weg zuruͤck.
Er kam und fand die Seel' am Webſtuhl eingeſchlafen,
Und mit erzuͤrntem Wort begann er ſie zu ſtrafen.
Mit Seelenruhe doch die Seele ſich erhob
Und laͤchelte: Sieh her! ich ſchlief nicht, ſondern wob.
Er ſah; gewachſen war im Schlaf das aufgezogene
Gewebe wunderbar; ſo glaubt' ihr der Betrogene.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |