Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.41. Der König Adler hat das weitste Königreich, Von allen Königen ist ihm kein andrer gleich. Den weiten Himmelsraum mißt er mit seinen Schwingen, Und läßt aus seiner Höh den Blick zur Erde dringen. Er hat die Sonn' im Aug' und sieht die Erde doch, Das tiefste sieht er klar, er schwebe noch so hoch. Und was am Erdengrund zur Beut' ihm mag gefallen, Er kommt, er faßts und trägts empor in seinen Krallen. Auf seinem Baume sitzt der Weih und lauert still, Was ihm zum Raube da vorüber kommen will. Der Adler aber fliegt, es steht die Wahl ihm frei, Nicht was vorbei ihm kommt, er holt es selbst herbei. Der Eule ist die Nacht zur Jagdzeit angewiesen, Der Mondschein ist ihr Freund, sie jagt nicht ohne diesen. Die Blöde sieht bei Nacht, doch gar nicht hell genung, Und recht im Zwielicht nur zweideut'ger Dämmerung. 41. Der Koͤnig Adler hat das weitſte Koͤnigreich, Von allen Koͤnigen iſt ihm kein andrer gleich. Den weiten Himmelsraum mißt er mit ſeinen Schwingen, Und laͤßt aus ſeiner Hoͤh den Blick zur Erde dringen. Er hat die Sonn' im Aug' und ſieht die Erde doch, Das tiefſte ſieht er klar, er ſchwebe noch ſo hoch. Und was am Erdengrund zur Beut' ihm mag gefallen, Er kommt, er faßts und traͤgts empor in ſeinen Krallen. Auf ſeinem Baume ſitzt der Weih und lauert ſtill, Was ihm zum Raube da voruͤber kommen will. Der Adler aber fliegt, es ſteht die Wahl ihm frei, Nicht was vorbei ihm kommt, er holt es ſelbſt herbei. Der Eule iſt die Nacht zur Jagdzeit angewieſen, Der Mondſchein iſt ihr Freund, ſie jagt nicht ohne dieſen. Die Bloͤde ſieht bei Nacht, doch gar nicht hell genung, Und recht im Zwielicht nur zweideut'ger Daͤmmerung. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0047" n="37"/> <div n="2"> <head>41.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Der Koͤnig Adler hat das weitſte Koͤnigreich,</l><lb/> <l>Von allen Koͤnigen iſt ihm kein andrer gleich.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Den weiten Himmelsraum mißt er mit ſeinen Schwingen,</l><lb/> <l>Und laͤßt aus ſeiner Hoͤh den Blick zur Erde dringen.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Er hat die Sonn' im Aug' und ſieht die Erde doch,</l><lb/> <l>Das tiefſte ſieht er klar, er ſchwebe noch ſo hoch.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Und was am Erdengrund zur Beut' ihm mag gefallen,</l><lb/> <l>Er kommt, er faßts und traͤgts empor in ſeinen Krallen.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Auf ſeinem Baume ſitzt der Weih und lauert ſtill,</l><lb/> <l>Was ihm zum Raube da voruͤber kommen will.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Der Adler aber fliegt, es ſteht die Wahl ihm frei,</l><lb/> <l>Nicht was vorbei ihm kommt, er holt es ſelbſt herbei.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Der Eule iſt die Nacht zur Jagdzeit angewieſen,</l><lb/> <l>Der Mondſchein iſt ihr Freund, ſie jagt nicht ohne dieſen.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Die Bloͤde ſieht bei Nacht, doch gar nicht hell genung,</l><lb/> <l>Und recht im Zwielicht nur zweideut'ger Daͤmmerung.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [37/0047]
41.
Der Koͤnig Adler hat das weitſte Koͤnigreich,
Von allen Koͤnigen iſt ihm kein andrer gleich.
Den weiten Himmelsraum mißt er mit ſeinen Schwingen,
Und laͤßt aus ſeiner Hoͤh den Blick zur Erde dringen.
Er hat die Sonn' im Aug' und ſieht die Erde doch,
Das tiefſte ſieht er klar, er ſchwebe noch ſo hoch.
Und was am Erdengrund zur Beut' ihm mag gefallen,
Er kommt, er faßts und traͤgts empor in ſeinen Krallen.
Auf ſeinem Baume ſitzt der Weih und lauert ſtill,
Was ihm zum Raube da voruͤber kommen will.
Der Adler aber fliegt, es ſteht die Wahl ihm frei,
Nicht was vorbei ihm kommt, er holt es ſelbſt herbei.
Der Eule iſt die Nacht zur Jagdzeit angewieſen,
Der Mondſchein iſt ihr Freund, ſie jagt nicht ohne dieſen.
Die Bloͤde ſieht bei Nacht, doch gar nicht hell genung,
Und recht im Zwielicht nur zweideut'ger Daͤmmerung.
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