Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.Mit einem Auge lacht die Lieb', ihr andres weint; Was meinest du, daß sie mit Lachen-Weinen meint? Sie lächelt, wenn die Welt sie um die Welt sieht weinen, Und weint, wenn sie sich sieht verlachen und verneinen. 32. Der König zählt sein Heer, ihm geht ein Mann vorbei, So häßlich, daß ihm scheint, daß er zu häßlich sei. Erst blickt der König ab, dann redet er ihn an, Und ungefüges spricht der ungefüge Mann. Der König denkt: Mir dient im Heere mancherlei, Doch keiner diene, dem nicht wohnt ein Gutes bei. Wär' ihm es äußerlich, so wär's in seinen Mienen, Wenn innerlich, so wär's in seiner Red' erschienen, Drum soll man diesen Mann aus meinen Reihen stoßen; Denn weder gut noch schön dient weder klein noch großen. Mit einem Auge lacht die Lieb', ihr andres weint; Was meineſt du, daß ſie mit Lachen-Weinen meint? Sie laͤchelt, wenn die Welt ſie um die Welt ſieht weinen, Und weint, wenn ſie ſich ſieht verlachen und verneinen. 32. Der Koͤnig zaͤhlt ſein Heer, ihm geht ein Mann vorbei, So haͤßlich, daß ihm ſcheint, daß er zu haͤßlich ſei. Erſt blickt der Koͤnig ab, dann redet er ihn an, Und ungefuͤges ſpricht der ungefuͤge Mann. Der Koͤnig denkt: Mir dient im Heere mancherlei, Doch keiner diene, dem nicht wohnt ein Gutes bei. Waͤr' ihm es aͤußerlich, ſo waͤr's in ſeinen Mienen, Wenn innerlich, ſo waͤr's in ſeiner Red' erſchienen, Drum ſoll man dieſen Mann aus meinen Reihen ſtoßen; Denn weder gut noch ſchoͤn dient weder klein noch großen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0038" n="28"/> <lg n="9"> <l>Mit einem Auge lacht die Lieb', ihr andres weint;</l><lb/> <l>Was meineſt du, daß ſie mit Lachen-Weinen meint?</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Sie laͤchelt, wenn die Welt ſie um die Welt ſieht weinen,</l><lb/> <l>Und weint, wenn ſie ſich ſieht verlachen und verneinen.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>32.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Der Koͤnig zaͤhlt ſein Heer, ihm geht ein Mann vorbei,</l><lb/> <l>So haͤßlich, daß ihm ſcheint, daß er zu haͤßlich ſei.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Erſt blickt der Koͤnig ab, dann redet er ihn an,</l><lb/> <l>Und ungefuͤges ſpricht der ungefuͤge Mann.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Der Koͤnig denkt: Mir dient im Heere mancherlei,</l><lb/> <l>Doch keiner diene, dem nicht wohnt ein Gutes bei.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Waͤr' ihm es aͤußerlich, ſo waͤr's in ſeinen Mienen,</l><lb/> <l>Wenn innerlich, ſo waͤr's in ſeiner Red' erſchienen,</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Drum ſoll man dieſen Mann aus meinen Reihen ſtoßen;</l><lb/> <l>Denn weder gut noch ſchoͤn dient weder klein noch großen.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [28/0038]
Mit einem Auge lacht die Lieb', ihr andres weint;
Was meineſt du, daß ſie mit Lachen-Weinen meint?
Sie laͤchelt, wenn die Welt ſie um die Welt ſieht weinen,
Und weint, wenn ſie ſich ſieht verlachen und verneinen.
32.
Der Koͤnig zaͤhlt ſein Heer, ihm geht ein Mann vorbei,
So haͤßlich, daß ihm ſcheint, daß er zu haͤßlich ſei.
Erſt blickt der Koͤnig ab, dann redet er ihn an,
Und ungefuͤges ſpricht der ungefuͤge Mann.
Der Koͤnig denkt: Mir dient im Heere mancherlei,
Doch keiner diene, dem nicht wohnt ein Gutes bei.
Waͤr' ihm es aͤußerlich, ſo waͤr's in ſeinen Mienen,
Wenn innerlich, ſo waͤr's in ſeiner Red' erſchienen,
Drum ſoll man dieſen Mann aus meinen Reihen ſtoßen;
Denn weder gut noch ſchoͤn dient weder klein noch großen.
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