Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.28. Du sagest: Falsch war dein Orakel, wie es pflegt. Sag das nicht, sondern sag: Falsch hab' ichs ausgelegt. Stets deutlich ist, doch stets vieldeutig Profezeiung, Und immer schützt sich selbst die Weihe vor Entweihung. 29. Der ist ein schlechter Herr, wie glänzend auch er thront, Der besser müssigem als fleiß'gem Diener lohnt; Der, wie die Sonne, sticht den der im Feld arbeitet, Und freundlich scheinet dem, der sich im Schatten breitet. 30. Wenn du mich fragst: auf wen darf ich in Treuen baun? Ich sage dir: auf die, die selber andern traun. Und fragst du aber, wem zu traun dir nicht gebührt? Nur dem nicht, der im Mund stets Treu und Glauben führt. 28. Du ſageſt: Falſch war dein Orakel, wie es pflegt. Sag das nicht, ſondern ſag: Falſch hab' ichs ausgelegt. Stets deutlich iſt, doch ſtets vieldeutig Profezeiung, Und immer ſchuͤtzt ſich ſelbſt die Weihe vor Entweihung. 29. Der iſt ein ſchlechter Herr, wie glaͤnzend auch er thront, Der beſſer muͤſſigem als fleiß'gem Diener lohnt; Der, wie die Sonne, ſticht den der im Feld arbeitet, Und freundlich ſcheinet dem, der ſich im Schatten breitet. 30. Wenn du mich fragſt: auf wen darf ich in Treuen baun? Ich ſage dir: auf die, die ſelber andern traun. Und fragſt du aber, wem zu traun dir nicht gebuͤhrt? Nur dem nicht, der im Mund ſtets Treu und Glauben fuͤhrt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0036" n="26"/> <div n="2"> <head>28.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Du ſageſt: Falſch war dein Orakel, wie es pflegt.</l><lb/> <l>Sag das nicht, ſondern ſag: Falſch hab' ichs ausgelegt.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Stets deutlich iſt, doch ſtets vieldeutig Profezeiung,</l><lb/> <l>Und immer ſchuͤtzt ſich ſelbſt die Weihe vor Entweihung.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>29.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Der iſt ein ſchlechter Herr, wie glaͤnzend auch er thront,</l><lb/> <l>Der beſſer muͤſſigem als fleiß'gem Diener lohnt;</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Der, wie die Sonne, ſticht den der im Feld arbeitet,</l><lb/> <l>Und freundlich ſcheinet dem, der ſich im Schatten breitet.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>30.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wenn du mich fragſt: auf wen darf ich in Treuen baun?</l><lb/> <l>Ich ſage dir: auf die, die ſelber andern traun.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Und fragſt du aber, wem zu traun dir nicht gebuͤhrt?</l><lb/> <l>Nur dem nicht, der im Mund ſtets Treu und Glauben fuͤhrt.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [26/0036]
28.
Du ſageſt: Falſch war dein Orakel, wie es pflegt.
Sag das nicht, ſondern ſag: Falſch hab' ichs ausgelegt.
Stets deutlich iſt, doch ſtets vieldeutig Profezeiung,
Und immer ſchuͤtzt ſich ſelbſt die Weihe vor Entweihung.
29.
Der iſt ein ſchlechter Herr, wie glaͤnzend auch er thront,
Der beſſer muͤſſigem als fleiß'gem Diener lohnt;
Der, wie die Sonne, ſticht den der im Feld arbeitet,
Und freundlich ſcheinet dem, der ſich im Schatten breitet.
30.
Wenn du mich fragſt: auf wen darf ich in Treuen baun?
Ich ſage dir: auf die, die ſelber andern traun.
Und fragſt du aber, wem zu traun dir nicht gebuͤhrt?
Nur dem nicht, der im Mund ſtets Treu und Glauben fuͤhrt.
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