Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.Dem Wandrer öffnet er die beigelehnte Pforte; Der Wandrer geht hindurch, und jener bleibt am Orte. Doch gibst du ihm ein klein Almosen, sagt er drauf: So thue Gott dir einst das Paradiesthor auf! Doch wenn du nichts ihm gibst, so sagt er nicht ein Wort, Und ohne Segen gehst du von dem Bettler fort. 19. Im Garten sah ich Bäum' auf eigne Art benutzt, Die Seitenäste samt dem Wipfel weggestutzt. Verwundert fragt' ich, was die Stümmlung soll bedeuten? Und angegeben ward der Grund mir von den Leuten: Nach dieser Seite fiel das Obst dem Waldbach zu, Und oben kam allein des Vogels Flug dazu. Was wir von Aesten hier und droben weggenommen, Auf andern Seiten wird es uns zu Statten kommen. Wir ziehn nicht unsern Baum zur Schönheit wild und frei; Wir ziehn für uns das Obst, wie schief der Astwuchs sei. Dem Wandrer oͤffnet er die beigelehnte Pforte; Der Wandrer geht hindurch, und jener bleibt am Orte. Doch gibſt du ihm ein klein Almoſen, ſagt er drauf: So thue Gott dir einſt das Paradiesthor auf! Doch wenn du nichts ihm gibſt, ſo ſagt er nicht ein Wort, Und ohne Segen gehſt du von dem Bettler fort. 19. Im Garten ſah ich Baͤum' auf eigne Art benutzt, Die Seitenaͤſte ſamt dem Wipfel weggeſtutzt. Verwundert fragt' ich, was die Stuͤmmlung ſoll bedeuten? Und angegeben ward der Grund mir von den Leuten: Nach dieſer Seite fiel das Obſt dem Waldbach zu, Und oben kam allein des Vogels Flug dazu. Was wir von Aeſten hier und droben weggenommen, Auf andern Seiten wird es uns zu Statten kommen. Wir ziehn nicht unſern Baum zur Schoͤnheit wild und frei; Wir ziehn fuͤr uns das Obſt, wie ſchief der Aſtwuchs ſei. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0329" n="319"/> <lg n="4"> <l>Dem Wandrer oͤffnet er die beigelehnte Pforte;</l><lb/> <l>Der Wandrer geht hindurch, und jener bleibt am Orte.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Doch gibſt du ihm ein klein Almoſen, ſagt er drauf:</l><lb/> <l>So thue Gott dir einſt das Paradiesthor auf!</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Doch wenn du nichts ihm gibſt, ſo ſagt er nicht ein Wort,</l><lb/> <l>Und ohne Segen gehſt du von dem Bettler fort.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>19.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Im Garten ſah ich Baͤum' auf eigne Art benutzt,</l><lb/> <l>Die Seitenaͤſte ſamt dem Wipfel weggeſtutzt.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Verwundert fragt' ich, was die Stuͤmmlung ſoll bedeuten?</l><lb/> <l>Und angegeben ward der Grund mir von den Leuten:</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Nach dieſer Seite fiel das Obſt dem Waldbach zu,</l><lb/> <l>Und oben kam allein des Vogels Flug dazu.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Was wir von Aeſten hier und droben weggenommen,</l><lb/> <l>Auf andern Seiten wird es uns zu Statten kommen.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Wir ziehn nicht unſern Baum zur Schoͤnheit wild und frei;</l><lb/> <l>Wir ziehn fuͤr uns das Obſt, wie ſchief der Aſtwuchs ſei.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [319/0329]
Dem Wandrer oͤffnet er die beigelehnte Pforte;
Der Wandrer geht hindurch, und jener bleibt am Orte.
Doch gibſt du ihm ein klein Almoſen, ſagt er drauf:
So thue Gott dir einſt das Paradiesthor auf!
Doch wenn du nichts ihm gibſt, ſo ſagt er nicht ein Wort,
Und ohne Segen gehſt du von dem Bettler fort.
19.
Im Garten ſah ich Baͤum' auf eigne Art benutzt,
Die Seitenaͤſte ſamt dem Wipfel weggeſtutzt.
Verwundert fragt' ich, was die Stuͤmmlung ſoll bedeuten?
Und angegeben ward der Grund mir von den Leuten:
Nach dieſer Seite fiel das Obſt dem Waldbach zu,
Und oben kam allein des Vogels Flug dazu.
Was wir von Aeſten hier und droben weggenommen,
Auf andern Seiten wird es uns zu Statten kommen.
Wir ziehn nicht unſern Baum zur Schoͤnheit wild und frei;
Wir ziehn fuͤr uns das Obſt, wie ſchief der Aſtwuchs ſei.
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