Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.13. Die alte Fabel fiel mir heute wieder bei, Wie stärker milder Sinn als ungestümer sei; Wie eine Wette schloß die Sonne mit dem Winde, Wer einem Wanderer den Mantel ehr entwinde. Da blies der Wind, da zog sein Kleid der Wandrer straffer; Die Sonne schien hierauf, da ließ ers hangen schlaffer. Und als sie lange schien, da zog er's endlich aus, Und ohne Mantel kam der Wanderer nach Haus. So hat mich unterwegs kein Räuber ausgezogen, Doch mancher Wirth ums Geld mit Artigkeit betrogen. 14. Die Schenk' ist solch ein Ort, wo dir nichts wird geschenkt, Und was man einschenkt, wird dir theuer eingetränkt. In eine solche trat ich neulich auf dem Lande, Und fand ihr Inneres in recht idyllischem Stande. 13. Die alte Fabel fiel mir heute wieder bei, Wie ſtaͤrker milder Sinn als ungeſtuͤmer ſei; Wie eine Wette ſchloß die Sonne mit dem Winde, Wer einem Wanderer den Mantel ehr entwinde. Da blies der Wind, da zog ſein Kleid der Wandrer ſtraffer; Die Sonne ſchien hierauf, da ließ ers hangen ſchlaffer. Und als ſie lange ſchien, da zog er's endlich aus, Und ohne Mantel kam der Wanderer nach Haus. So hat mich unterwegs kein Raͤuber ausgezogen, Doch mancher Wirth ums Geld mit Artigkeit betrogen. 14. Die Schenk' iſt ſolch ein Ort, wo dir nichts wird geſchenkt, Und was man einſchenkt, wird dir theuer eingetraͤnkt. In eine ſolche trat ich neulich auf dem Lande, Und fand ihr Inneres in recht idylliſchem Stande. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0322" n="312"/> <div n="2"> <head>13.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Die alte Fabel fiel mir heute wieder bei,</l><lb/> <l>Wie ſtaͤrker milder Sinn als ungeſtuͤmer ſei;</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Wie eine Wette ſchloß die Sonne mit dem Winde,</l><lb/> <l>Wer einem Wanderer den Mantel ehr entwinde.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Da blies der Wind, da zog ſein Kleid der Wandrer ſtraffer;</l><lb/> <l>Die Sonne ſchien hierauf, da ließ ers hangen ſchlaffer.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Und als ſie lange ſchien, da zog er's endlich aus,</l><lb/> <l>Und ohne Mantel kam der Wanderer nach Haus.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>So hat mich unterwegs kein Raͤuber ausgezogen,</l><lb/> <l>Doch mancher Wirth ums Geld mit Artigkeit betrogen.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>14.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Die Schenk' iſt ſolch ein Ort, wo dir nichts wird geſchenkt,</l><lb/> <l>Und was man einſchenkt, wird dir theuer eingetraͤnkt.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>In eine ſolche trat ich neulich auf dem Lande,</l><lb/> <l>Und fand ihr Inneres in recht idylliſchem Stande.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [312/0322]
13.
Die alte Fabel fiel mir heute wieder bei,
Wie ſtaͤrker milder Sinn als ungeſtuͤmer ſei;
Wie eine Wette ſchloß die Sonne mit dem Winde,
Wer einem Wanderer den Mantel ehr entwinde.
Da blies der Wind, da zog ſein Kleid der Wandrer ſtraffer;
Die Sonne ſchien hierauf, da ließ ers hangen ſchlaffer.
Und als ſie lange ſchien, da zog er's endlich aus,
Und ohne Mantel kam der Wanderer nach Haus.
So hat mich unterwegs kein Raͤuber ausgezogen,
Doch mancher Wirth ums Geld mit Artigkeit betrogen.
14.
Die Schenk' iſt ſolch ein Ort, wo dir nichts wird geſchenkt,
Und was man einſchenkt, wird dir theuer eingetraͤnkt.
In eine ſolche trat ich neulich auf dem Lande,
Und fand ihr Inneres in recht idylliſchem Stande.
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