Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.Ein Vöglein wiegte sich hoch im Gezweig und sang; Als ich das Haupt erhob, entflatterte es bang. Ein Schlängchen schlängelte durch Gras und Gries herbei; Ich hob den Fuß, es floh alsob ich giftig sei. O Mensch, Herr der Natur und Schreck, Tyrann unhuldig Unschuld'ger Kreatur, du selber nicht unschuldig! 8. Am Hügel saß ich Nachts, und war dem Thal entronnen, Von dem mir aufwerts klang gedämpfter Schall der Wonnen, Der lauten Weltlichkeit, die mich von sich gescheucht, Und selig fühlt' ich mich im Dunkel warm und feucht. Doch über eine Schlucht zur Seit' herüber drang Dein Schlummerröcheln, o Natur, und macht mir bang. Ein flüsterndes Getön im Laub der alten Rüstern, Ein düsterndes Gestöhn, Geschnaub aus welchen Nüstern? Ein Voͤglein wiegte ſich hoch im Gezweig und ſang; Als ich das Haupt erhob, entflatterte es bang. Ein Schlaͤngchen ſchlaͤngelte durch Gras und Gries herbei; Ich hob den Fuß, es floh alsob ich giftig ſei. O Menſch, Herr der Natur und Schreck, Tyrann unhuldig Unſchuld'ger Kreatur, du ſelber nicht unſchuldig! 8. Am Huͤgel ſaß ich Nachts, und war dem Thal entronnen, Von dem mir aufwerts klang gedaͤmpfter Schall der Wonnen, Der lauten Weltlichkeit, die mich von ſich geſcheucht, Und ſelig fuͤhlt' ich mich im Dunkel warm und feucht. Doch uͤber eine Schlucht zur Seit' heruͤber drang Dein Schlummerroͤcheln, o Natur, und macht mir bang. Ein fluͤſterndes Getoͤn im Laub der alten Ruͤſtern, Ein duͤſterndes Geſtoͤhn, Geſchnaub aus welchen Nuͤſtern? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0316" n="306"/> <lg n="3"> <l>Ein Voͤglein wiegte ſich hoch im Gezweig und ſang;</l><lb/> <l>Als ich das Haupt erhob, entflatterte es bang.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Ein Schlaͤngchen ſchlaͤngelte durch Gras und Gries herbei;</l><lb/> <l>Ich hob den Fuß, es floh alsob ich giftig ſei.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>O Menſch, Herr der Natur und Schreck, Tyrann unhuldig</l><lb/> <l>Unſchuld'ger Kreatur, du ſelber nicht unſchuldig!</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>8.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Am Huͤgel ſaß ich Nachts, und war dem Thal entronnen,</l><lb/> <l>Von dem mir aufwerts klang gedaͤmpfter Schall der Wonnen,</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Der lauten Weltlichkeit, die mich von ſich geſcheucht,</l><lb/> <l>Und ſelig fuͤhlt' ich mich im Dunkel warm und feucht.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Doch uͤber eine Schlucht zur Seit' heruͤber drang</l><lb/> <l>Dein Schlummerroͤcheln, o Natur, und macht mir bang.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Ein fluͤſterndes Getoͤn im Laub der alten Ruͤſtern,</l><lb/> <l>Ein duͤſterndes Geſtoͤhn, Geſchnaub aus welchen Nuͤſtern?</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [306/0316]
Ein Voͤglein wiegte ſich hoch im Gezweig und ſang;
Als ich das Haupt erhob, entflatterte es bang.
Ein Schlaͤngchen ſchlaͤngelte durch Gras und Gries herbei;
Ich hob den Fuß, es floh alsob ich giftig ſei.
O Menſch, Herr der Natur und Schreck, Tyrann unhuldig
Unſchuld'ger Kreatur, du ſelber nicht unſchuldig!
8.
Am Huͤgel ſaß ich Nachts, und war dem Thal entronnen,
Von dem mir aufwerts klang gedaͤmpfter Schall der Wonnen,
Der lauten Weltlichkeit, die mich von ſich geſcheucht,
Und ſelig fuͤhlt' ich mich im Dunkel warm und feucht.
Doch uͤber eine Schlucht zur Seit' heruͤber drang
Dein Schlummerroͤcheln, o Natur, und macht mir bang.
Ein fluͤſterndes Getoͤn im Laub der alten Ruͤſtern,
Ein duͤſterndes Geſtoͤhn, Geſchnaub aus welchen Nuͤſtern?
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