Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.93. Nichts sagen kann ein Mund, worin nicht Wahrheit wäre, Ob wissentlich das Herz auch Lüge nur gebäre. Denn was er spricht, ist doch ein Bild des was er denkt, Wie er willkürlich auch die Züge dran verrenkt; Und was er denkt, ist doch die Wahrheit die er sieht, Wie er in sich ihr Bild zum Zerrbild auch verzieht. So, was er erst gedacht, und dann was er gesprochen, Ist nur der Wahrheit Stral, der zwiefach ist gebrochen. Und hättest du in dir den Stral, der rückwerts bricht Die Doppelbrechungen, du stelltest her das Licht. Nur Gott hat diesen Stral in seiner vollen Klarheit; Er sieht, du aber ahnst durch ihn, im Lug die Wahrheit. 93. Nichts ſagen kann ein Mund, worin nicht Wahrheit waͤre, Ob wiſſentlich das Herz auch Luͤge nur gebaͤre. Denn was er ſpricht, iſt doch ein Bild des was er denkt, Wie er willkuͤrlich auch die Zuͤge dran verrenkt; Und was er denkt, iſt doch die Wahrheit die er ſieht, Wie er in ſich ihr Bild zum Zerrbild auch verzieht. So, was er erſt gedacht, und dann was er geſprochen, Iſt nur der Wahrheit Stral, der zwiefach iſt gebrochen. Und haͤtteſt du in dir den Stral, der ruͤckwerts bricht Die Doppelbrechungen, du ſtellteſt her das Licht. Nur Gott hat dieſen Stral in ſeiner vollen Klarheit; Er ſieht, du aber ahnſt durch ihn, im Lug die Wahrheit. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0303" n="293"/> <div n="2"> <head>93.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Nichts ſagen kann ein Mund, worin nicht Wahrheit waͤre,</l><lb/> <l>Ob wiſſentlich das Herz auch Luͤge nur gebaͤre.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Denn was er ſpricht, iſt doch ein Bild des was er denkt,</l><lb/> <l>Wie er willkuͤrlich auch die Zuͤge dran verrenkt;</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Und was er denkt, iſt doch die Wahrheit die er ſieht,</l><lb/> <l>Wie er in ſich ihr Bild zum Zerrbild auch verzieht.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>So, was er erſt gedacht, und dann was er geſprochen,</l><lb/> <l>Iſt nur der Wahrheit Stral, der zwiefach iſt gebrochen.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Und haͤtteſt du in dir den Stral, der ruͤckwerts bricht</l><lb/> <l>Die Doppelbrechungen, du ſtellteſt her das Licht.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Nur Gott hat dieſen Stral in ſeiner vollen Klarheit;</l><lb/> <l>Er ſieht, du aber ahnſt durch ihn, im Lug die Wahrheit.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [293/0303]
93.
Nichts ſagen kann ein Mund, worin nicht Wahrheit waͤre,
Ob wiſſentlich das Herz auch Luͤge nur gebaͤre.
Denn was er ſpricht, iſt doch ein Bild des was er denkt,
Wie er willkuͤrlich auch die Zuͤge dran verrenkt;
Und was er denkt, iſt doch die Wahrheit die er ſieht,
Wie er in ſich ihr Bild zum Zerrbild auch verzieht.
So, was er erſt gedacht, und dann was er geſprochen,
Iſt nur der Wahrheit Stral, der zwiefach iſt gebrochen.
Und haͤtteſt du in dir den Stral, der ruͤckwerts bricht
Die Doppelbrechungen, du ſtellteſt her das Licht.
Nur Gott hat dieſen Stral in ſeiner vollen Klarheit;
Er ſieht, du aber ahnſt durch ihn, im Lug die Wahrheit.
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