Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.92. Des einen freu' ich mich, wenn rückwerts geht der Blick Auf meines Lebens buntverworrenes Geschick, Wo der Zusammenhang der Pfade zu entgehn Dem Aug' und alles scheint in irrem Kreis zu drehn; Des einen freu' ich mich, daß doch, statt zu ermatten, Die Reise leichter stets, je weiter, gieng vonstatten; Als sie die Federkraft, die schwindende, der Glieder Ersetzt durch tragendes unsichtbares Gefieder; Sodaß auf seiner Bahn der Geist mühloser strebt, Der, wo er unten sonst gerungen, oben schwebt. Wenn nun sich ein Gedank' aus jener Zeit erfrischt In neuer Form, ist ihm was eignes beigemischt: Das jugendliche Roth der Wangen hat er nicht, Doch dafür einen Stral auf seinem Angesicht. Ich könnte, wollt' ich abgethanes neuverrichten, All mein Gedichtetes in höhern Stil umdichten. 92. Des einen freu' ich mich, wenn ruͤckwerts geht der Blick Auf meines Lebens buntverworrenes Geſchick, Wo der Zuſammenhang der Pfade zu entgehn Dem Aug' und alles ſcheint in irrem Kreis zu drehn; Des einen freu' ich mich, daß doch, ſtatt zu ermatten, Die Reiſe leichter ſtets, je weiter, gieng vonſtatten; Als ſie die Federkraft, die ſchwindende, der Glieder Erſetzt durch tragendes unſichtbares Gefieder; Sodaß auf ſeiner Bahn der Geiſt muͤhloſer ſtrebt, Der, wo er unten ſonſt gerungen, oben ſchwebt. Wenn nun ſich ein Gedank' aus jener Zeit erfriſcht In neuer Form, iſt ihm was eignes beigemiſcht: Das jugendliche Roth der Wangen hat er nicht, Doch dafuͤr einen Stral auf ſeinem Angeſicht. Ich koͤnnte, wollt' ich abgethanes neuverrichten, All mein Gedichtetes in hoͤhern Stil umdichten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0302" n="292"/> <div n="2"> <head>92.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Des einen freu' ich mich, wenn ruͤckwerts geht der Blick</l><lb/> <l>Auf meines Lebens buntverworrenes Geſchick,</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Wo der Zuſammenhang der Pfade zu entgehn</l><lb/> <l>Dem Aug' und alles ſcheint in irrem Kreis zu drehn;</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Des einen freu' ich mich, daß doch, ſtatt zu ermatten,</l><lb/> <l>Die Reiſe leichter ſtets, je weiter, gieng vonſtatten;</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Als ſie die Federkraft, die ſchwindende, der Glieder</l><lb/> <l>Erſetzt durch tragendes unſichtbares Gefieder;</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Sodaß auf ſeiner Bahn der Geiſt muͤhloſer ſtrebt,</l><lb/> <l>Der, wo er unten ſonſt gerungen, oben ſchwebt.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Wenn nun ſich ein Gedank' aus jener Zeit erfriſcht</l><lb/> <l>In neuer Form, iſt ihm was eignes beigemiſcht:</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Das jugendliche Roth der Wangen hat er nicht,</l><lb/> <l>Doch dafuͤr einen Stral auf ſeinem Angeſicht.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Ich koͤnnte, wollt' ich abgethanes neuverrichten,</l><lb/> <l>All mein Gedichtetes in hoͤhern Stil umdichten.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [292/0302]
92.
Des einen freu' ich mich, wenn ruͤckwerts geht der Blick
Auf meines Lebens buntverworrenes Geſchick,
Wo der Zuſammenhang der Pfade zu entgehn
Dem Aug' und alles ſcheint in irrem Kreis zu drehn;
Des einen freu' ich mich, daß doch, ſtatt zu ermatten,
Die Reiſe leichter ſtets, je weiter, gieng vonſtatten;
Als ſie die Federkraft, die ſchwindende, der Glieder
Erſetzt durch tragendes unſichtbares Gefieder;
Sodaß auf ſeiner Bahn der Geiſt muͤhloſer ſtrebt,
Der, wo er unten ſonſt gerungen, oben ſchwebt.
Wenn nun ſich ein Gedank' aus jener Zeit erfriſcht
In neuer Form, iſt ihm was eignes beigemiſcht:
Das jugendliche Roth der Wangen hat er nicht,
Doch dafuͤr einen Stral auf ſeinem Angeſicht.
Ich koͤnnte, wollt' ich abgethanes neuverrichten,
All mein Gedichtetes in hoͤhern Stil umdichten.
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Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/302>, abgerufen am 22.02.2025. |