Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.71. Blick' auf und sage dir: wo ist der Regenbogen? Er scheinet dort dem Saum der Wolken angeflogen. Doch in der Wolke, wär' er dort wol ohn' ein Auge, Das deinige, das ihn dir in die Seele sauge? Du wirst es dir bewust: es sind der Sonne Stralen, Die du getrunken hast aus Regenbogenschalen. Nichts ist das Farbenspiel, nur wirklich ist die Sonne; Die lichte Täuschung doch ist deiner Augen Wonne. Was unterm Himmel glänzt, ist nur der Sonne Licht, Das mannichfaltig sich in trüben Stoffen bricht. Was unterm Himmel glänzt, ist nur ein Widerschein, Ein bunter Schattenwurf der Himmelssonn' allein. Ein solcher Widerschein ist selbst die Sonne nur Der höchsten Geistersonn' im Spiegel der Natur. 71. Blick' auf und ſage dir: wo iſt der Regenbogen? Er ſcheinet dort dem Saum der Wolken angeflogen. Doch in der Wolke, waͤr' er dort wol ohn' ein Auge, Das deinige, das ihn dir in die Seele ſauge? Du wirſt es dir bewuſt: es ſind der Sonne Stralen, Die du getrunken haſt aus Regenbogenſchalen. Nichts iſt das Farbenſpiel, nur wirklich iſt die Sonne; Die lichte Taͤuſchung doch iſt deiner Augen Wonne. Was unterm Himmel glaͤnzt, iſt nur der Sonne Licht, Das mannichfaltig ſich in truͤben Stoffen bricht. Was unterm Himmel glaͤnzt, iſt nur ein Widerſchein, Ein bunter Schattenwurf der Himmelsſonn' allein. Ein ſolcher Widerſchein iſt ſelbſt die Sonne nur Der hoͤchſten Geiſterſonn' im Spiegel der Natur. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0285" n="275"/> <div n="2"> <head>71.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Blick' auf und ſage dir: wo iſt der Regenbogen?</l><lb/> <l>Er ſcheinet dort dem Saum der Wolken angeflogen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Doch in der Wolke, waͤr' er dort wol ohn' ein Auge,</l><lb/> <l>Das deinige, das ihn dir in die Seele ſauge?</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Du wirſt es dir bewuſt: es ſind der Sonne Stralen,</l><lb/> <l>Die du getrunken haſt aus Regenbogenſchalen.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Nichts iſt das Farbenſpiel, nur wirklich iſt die Sonne;</l><lb/> <l>Die lichte Taͤuſchung doch iſt deiner Augen Wonne.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Was unterm Himmel glaͤnzt, iſt nur der Sonne Licht,</l><lb/> <l>Das mannichfaltig ſich in truͤben Stoffen bricht.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Was unterm Himmel glaͤnzt, iſt nur ein Widerſchein,</l><lb/> <l>Ein bunter Schattenwurf der Himmelsſonn' allein.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Ein ſolcher Widerſchein iſt ſelbſt die Sonne nur</l><lb/> <l>Der hoͤchſten Geiſterſonn' im Spiegel der Natur.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [275/0285]
71.
Blick' auf und ſage dir: wo iſt der Regenbogen?
Er ſcheinet dort dem Saum der Wolken angeflogen.
Doch in der Wolke, waͤr' er dort wol ohn' ein Auge,
Das deinige, das ihn dir in die Seele ſauge?
Du wirſt es dir bewuſt: es ſind der Sonne Stralen,
Die du getrunken haſt aus Regenbogenſchalen.
Nichts iſt das Farbenſpiel, nur wirklich iſt die Sonne;
Die lichte Taͤuſchung doch iſt deiner Augen Wonne.
Was unterm Himmel glaͤnzt, iſt nur der Sonne Licht,
Das mannichfaltig ſich in truͤben Stoffen bricht.
Was unterm Himmel glaͤnzt, iſt nur ein Widerſchein,
Ein bunter Schattenwurf der Himmelsſonn' allein.
Ein ſolcher Widerſchein iſt ſelbſt die Sonne nur
Der hoͤchſten Geiſterſonn' im Spiegel der Natur.
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