Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.Schön wie des Morgens glänzt des Abends Rosenbucht, Schön ist wie Frühlingskranz des Herbstes reife Wucht. Mag Morgenfrische dort im Mittagsbrand ermatten, Herbstdämmerung sich hier in Winternacht verschatten; Von neuem immer frisch, von neuem immer klar, Ist Gottes großer Tag, das ew'ge Weltenjahr. Obs wintern, sommern mag, ob tagen oder nachten, Laß uns im Fluß der Zeit die Ewigkeit betrachten! 29. Was ist der Raum? die dir vom Sinn gesetzten Schranken. Was ist die Zeit? der Fluß der Ding' und der Gedanken. Allgegenwart des Orts, Allgegenwart der Zeit! Wo ruht von hier und dort, von jetzt und einst der Streit? In Gott, wo alles ruht, wo einst die Zeit geruht, Eh in des Raumes Bett hervorbrach ihre Flut. Und wo in Gott dich senkt Entzückung oder Traum, Da steht dir still die Zeit, und gibt dich frei der Raum. Schoͤn wie des Morgens glaͤnzt des Abends Roſenbucht, Schoͤn iſt wie Fruͤhlingskranz des Herbſtes reife Wucht. Mag Morgenfriſche dort im Mittagsbrand ermatten, Herbſtdaͤmmerung ſich hier in Winternacht verſchatten; Von neuem immer friſch, von neuem immer klar, Iſt Gottes großer Tag, das ew'ge Weltenjahr. Obs wintern, ſommern mag, ob tagen oder nachten, Laß uns im Fluß der Zeit die Ewigkeit betrachten! 29. Was iſt der Raum? die dir vom Sinn geſetzten Schranken. Was iſt die Zeit? der Fluß der Ding' und der Gedanken. Allgegenwart des Orts, Allgegenwart der Zeit! Wo ruht von hier und dort, von jetzt und einſt der Streit? In Gott, wo alles ruht, wo einſt die Zeit geruht, Eh in des Raumes Bett hervorbrach ihre Flut. Und wo in Gott dich ſenkt Entzuͤckung oder Traum, Da ſteht dir ſtill die Zeit, und gibt dich frei der Raum. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0255" n="245"/> <lg n="9"> <l>Schoͤn wie des Morgens glaͤnzt des Abends Roſenbucht,</l><lb/> <l>Schoͤn iſt wie Fruͤhlingskranz des Herbſtes reife Wucht.</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Mag Morgenfriſche dort im Mittagsbrand ermatten,</l><lb/> <l>Herbſtdaͤmmerung ſich hier in Winternacht verſchatten;</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>Von neuem immer friſch, von neuem immer klar,</l><lb/> <l>Iſt Gottes großer Tag, das ew'ge Weltenjahr.</l> </lg><lb/> <lg n="12"> <l>Obs wintern, ſommern mag, ob tagen oder nachten,</l><lb/> <l>Laß uns im Fluß der Zeit die Ewigkeit betrachten!</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>29.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Was iſt der Raum? die dir vom Sinn geſetzten Schranken.</l><lb/> <l>Was iſt die Zeit? der Fluß der Ding' und der Gedanken.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Allgegenwart des Orts, Allgegenwart der Zeit!</l><lb/> <l>Wo ruht von hier und dort, von jetzt und einſt der Streit?</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>In Gott, wo alles ruht, wo einſt die Zeit geruht,</l><lb/> <l>Eh in des Raumes Bett hervorbrach ihre Flut.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Und wo in Gott dich ſenkt Entzuͤckung oder Traum,</l><lb/> <l>Da ſteht dir ſtill die Zeit, und gibt dich frei der Raum.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [245/0255]
Schoͤn wie des Morgens glaͤnzt des Abends Roſenbucht,
Schoͤn iſt wie Fruͤhlingskranz des Herbſtes reife Wucht.
Mag Morgenfriſche dort im Mittagsbrand ermatten,
Herbſtdaͤmmerung ſich hier in Winternacht verſchatten;
Von neuem immer friſch, von neuem immer klar,
Iſt Gottes großer Tag, das ew'ge Weltenjahr.
Obs wintern, ſommern mag, ob tagen oder nachten,
Laß uns im Fluß der Zeit die Ewigkeit betrachten!
29.
Was iſt der Raum? die dir vom Sinn geſetzten Schranken.
Was iſt die Zeit? der Fluß der Ding' und der Gedanken.
Allgegenwart des Orts, Allgegenwart der Zeit!
Wo ruht von hier und dort, von jetzt und einſt der Streit?
In Gott, wo alles ruht, wo einſt die Zeit geruht,
Eh in des Raumes Bett hervorbrach ihre Flut.
Und wo in Gott dich ſenkt Entzuͤckung oder Traum,
Da ſteht dir ſtill die Zeit, und gibt dich frei der Raum.
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Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/255>, abgerufen am 22.02.2025. |