O ew'ger Lebenshauch, durch den der Baum der Zeiten Treibt Blüten, Früchte trägt und falbes Laub läßt gleiten.
Was stockt und was sich regt, regt sich und stockt in dir; Und jedes Herz das schlägt, schlägt und frolockt in dir.
Du hebst den Menschengeist in deiner Lieb' empor, Er fühlet sich in dir, und kommt so groß sich vor.
Dann fühlt er sich so klein vor deiner Größe wieder, Und tiefe Demut beugt den kühnen Stolz danieder.
Du aber öffnest dem gebeugten deinen Schoß, Erhebst ihn wieder, und der kleine gilt dir groß.
Du kehrest in ihm ein mit dem Gefühl der Huld, Sein Sehnen stillest du und sühnest seine Schuld.
Mit Zittern sieht er dich als Herren, der ihn schuf, Und mit Vertrauen hört er deinen Vaterruf.
11*
27.
O ew'ger Lebenshauch, durch den der Baum der Zeiten Treibt Bluͤten, Fruͤchte traͤgt und falbes Laub laͤßt gleiten.
Was ſtockt und was ſich regt, regt ſich und ſtockt in dir; Und jedes Herz das ſchlaͤgt, ſchlaͤgt und frolockt in dir.
Du hebſt den Menſchengeiſt in deiner Lieb' empor, Er fuͤhlet ſich in dir, und kommt ſo groß ſich vor.
Dann fuͤhlt er ſich ſo klein vor deiner Groͤße wieder, Und tiefe Demut beugt den kuͤhnen Stolz danieder.
Du aber oͤffneſt dem gebeugten deinen Schoß, Erhebſt ihn wieder, und der kleine gilt dir groß.
Du kehreſt in ihm ein mit dem Gefuͤhl der Huld, Sein Sehnen ſtilleſt du und ſuͤhneſt ſeine Schuld.
Mit Zittern ſieht er dich als Herren, der ihn ſchuf, Und mit Vertrauen hoͤrt er deinen Vaterruf.
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27.
O ew'ger Lebenshauch, durch den der Baum der Zeiten
Treibt Bluͤten, Fruͤchte traͤgt und falbes Laub laͤßt gleiten.
Was ſtockt und was ſich regt, regt ſich und ſtockt in dir;
Und jedes Herz das ſchlaͤgt, ſchlaͤgt und frolockt in dir.
Du hebſt den Menſchengeiſt in deiner Lieb' empor,
Er fuͤhlet ſich in dir, und kommt ſo groß ſich vor.
Dann fuͤhlt er ſich ſo klein vor deiner Groͤße wieder,
Und tiefe Demut beugt den kuͤhnen Stolz danieder.
Du aber oͤffneſt dem gebeugten deinen Schoß,
Erhebſt ihn wieder, und der kleine gilt dir groß.
Du kehreſt in ihm ein mit dem Gefuͤhl der Huld,
Sein Sehnen ſtilleſt du und ſuͤhneſt ſeine Schuld.
Mit Zittern ſieht er dich als Herren, der ihn ſchuf,
Und mit Vertrauen hoͤrt er deinen Vaterruf.
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Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/253>, abgerufen am 22.02.2025.
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