Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.21. Die Tage nach dem Tag, wo du gepflanzt den Baum, An dem du blühen siehst der Zukunft goldnen Traum, Die Tage wünschest du, daß sie geflügelt seien, Um nur mit einemmal zu sehn des Baums Gedeihen. Doch geben kann dein Wunsch den Tagen keine Flügel; Die starke Hand der Zeit führt sie am festen Zügel. Und desto langsamer siehst du dahin sie schreiten, Je ungeduldiger du wünschest ihr Entgleiten. O wünsche nichts vorbei, und wünsche nichts zurück! Nur ruhiges Gefühl der Gegenwart ist Glück. Die Zukunft kommt von selbst, beeile nicht die Fahrt! Sogleich Vergangenheit ist jede Gegenwart. Du aber pflanz' ein Kraut an jedem Tag im Garten, So kannst du jeden Tag auch eine Blüt' erwarten. 21. Die Tage nach dem Tag, wo du gepflanzt den Baum, An dem du bluͤhen ſiehſt der Zukunft goldnen Traum, Die Tage wuͤnſcheſt du, daß ſie gefluͤgelt ſeien, Um nur mit einemmal zu ſehn des Baums Gedeihen. Doch geben kann dein Wunſch den Tagen keine Fluͤgel; Die ſtarke Hand der Zeit fuͤhrt ſie am feſten Zuͤgel. Und deſto langſamer ſiehſt du dahin ſie ſchreiten, Je ungeduldiger du wuͤnſcheſt ihr Entgleiten. O wuͤnſche nichts vorbei, und wuͤnſche nichts zuruͤck! Nur ruhiges Gefuͤhl der Gegenwart iſt Gluͤck. Die Zukunft kommt von ſelbſt, beeile nicht die Fahrt! Sogleich Vergangenheit iſt jede Gegenwart. Du aber pflanz' ein Kraut an jedem Tag im Garten, So kannſt du jeden Tag auch eine Bluͤt' erwarten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0247" n="237"/> <div n="2"> <head>21.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Die Tage nach dem Tag, wo du gepflanzt den Baum,</l><lb/> <l>An dem du bluͤhen ſiehſt der Zukunft goldnen Traum,</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Die Tage wuͤnſcheſt du, daß ſie gefluͤgelt ſeien,</l><lb/> <l>Um nur mit einemmal zu ſehn des Baums Gedeihen.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Doch geben kann dein Wunſch den Tagen keine Fluͤgel;</l><lb/> <l>Die ſtarke Hand der Zeit fuͤhrt ſie am feſten Zuͤgel.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Und deſto langſamer ſiehſt du dahin ſie ſchreiten,</l><lb/> <l>Je ungeduldiger du wuͤnſcheſt ihr Entgleiten.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>O wuͤnſche nichts vorbei, und wuͤnſche nichts zuruͤck!</l><lb/> <l>Nur ruhiges Gefuͤhl der Gegenwart iſt Gluͤck.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Die Zukunft kommt von ſelbſt, beeile nicht die Fahrt!</l><lb/> <l>Sogleich Vergangenheit iſt jede Gegenwart.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Du aber pflanz' ein Kraut an jedem Tag im Garten,</l><lb/> <l>So kannſt du jeden Tag auch eine Bluͤt' erwarten.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [237/0247]
21.
Die Tage nach dem Tag, wo du gepflanzt den Baum,
An dem du bluͤhen ſiehſt der Zukunft goldnen Traum,
Die Tage wuͤnſcheſt du, daß ſie gefluͤgelt ſeien,
Um nur mit einemmal zu ſehn des Baums Gedeihen.
Doch geben kann dein Wunſch den Tagen keine Fluͤgel;
Die ſtarke Hand der Zeit fuͤhrt ſie am feſten Zuͤgel.
Und deſto langſamer ſiehſt du dahin ſie ſchreiten,
Je ungeduldiger du wuͤnſcheſt ihr Entgleiten.
O wuͤnſche nichts vorbei, und wuͤnſche nichts zuruͤck!
Nur ruhiges Gefuͤhl der Gegenwart iſt Gluͤck.
Die Zukunft kommt von ſelbſt, beeile nicht die Fahrt!
Sogleich Vergangenheit iſt jede Gegenwart.
Du aber pflanz' ein Kraut an jedem Tag im Garten,
So kannſt du jeden Tag auch eine Bluͤt' erwarten.
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Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/247>, abgerufen am 22.02.2025. |