Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.103. Laß uns besonnen seyn! Wir waren unbesonnen, Darüber ist die Frist des Lebens fast verronnen. Bedenken wir es recht! wir sannen Eitlem nach, Das gab dem kranken Sinn kein Heil, das ihm gebrach. Laß uns bescheiden seyn! Wir waren unbescheiden, Und wollten neben uns nicht gleichen Anspruch leiden. Bedenken wir es recht, bescheiden uns damit, Daß selber neben sich manch besserer uns litt. Laß uns zufrieden seyn! Wir waren unzufrieden, Daß uns nicht mehr, als wir verdienten, war beschieden. Bedenken wir es recht! Man räumt noch mehr uns ein, Als uns gebührt, und gnug, zufrieden auch zu seyn. 103. Laß uns beſonnen ſeyn! Wir waren unbeſonnen, Daruͤber iſt die Friſt des Lebens faſt verronnen. Bedenken wir es recht! wir ſannen Eitlem nach, Das gab dem kranken Sinn kein Heil, das ihm gebrach. Laß uns beſcheiden ſeyn! Wir waren unbeſcheiden, Und wollten neben uns nicht gleichen Anſpruch leiden. Bedenken wir es recht, beſcheiden uns damit, Daß ſelber neben ſich manch beſſerer uns litt. Laß uns zufrieden ſeyn! Wir waren unzufrieden, Daß uns nicht mehr, als wir verdienten, war beſchieden. Bedenken wir es recht! Man raͤumt noch mehr uns ein, Als uns gebuͤhrt, und gnug, zufrieden auch zu ſeyn. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0212" n="202"/> <div n="2"> <head>103.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Laß uns beſonnen ſeyn! Wir waren unbeſonnen,</l><lb/> <l>Daruͤber iſt die Friſt des Lebens faſt verronnen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Bedenken wir es recht! wir ſannen Eitlem nach,</l><lb/> <l>Das gab dem kranken Sinn kein Heil, das ihm gebrach.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Laß uns beſcheiden ſeyn! Wir waren unbeſcheiden,</l><lb/> <l>Und wollten neben uns nicht gleichen Anſpruch leiden.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Bedenken wir es recht, beſcheiden uns damit,</l><lb/> <l>Daß ſelber neben ſich manch beſſerer uns litt.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Laß uns zufrieden ſeyn! Wir waren unzufrieden,</l><lb/> <l>Daß uns nicht mehr, als wir verdienten, war beſchieden.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Bedenken wir es recht! Man raͤumt noch mehr uns ein,</l><lb/> <l>Als uns gebuͤhrt, und gnug, zufrieden auch zu ſeyn.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [202/0212]
103.
Laß uns beſonnen ſeyn! Wir waren unbeſonnen,
Daruͤber iſt die Friſt des Lebens faſt verronnen.
Bedenken wir es recht! wir ſannen Eitlem nach,
Das gab dem kranken Sinn kein Heil, das ihm gebrach.
Laß uns beſcheiden ſeyn! Wir waren unbeſcheiden,
Und wollten neben uns nicht gleichen Anſpruch leiden.
Bedenken wir es recht, beſcheiden uns damit,
Daß ſelber neben ſich manch beſſerer uns litt.
Laß uns zufrieden ſeyn! Wir waren unzufrieden,
Daß uns nicht mehr, als wir verdienten, war beſchieden.
Bedenken wir es recht! Man raͤumt noch mehr uns ein,
Als uns gebuͤhrt, und gnug, zufrieden auch zu ſeyn.
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