Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite
Das aber lähmt ihn nicht, und trübt nicht seinen Glanz;
Erst als des Ganzen Glied fühlt er sich selber ganz.
In seinem Kreis mit Lust wirkt er durch höh're Kraft;
Und also wirke du in deinem sonnenhaft.
Wo du in Gott dich fühlst, stehst du im Mittelpunkt;
Und wo du ihn verlierst, bist du ins All zerfunkt.

85.
Wenn jener Funke Licht in dir vom höchsten Licht
Vergisset seiner Pflicht und seines Ursprungs nicht;
Wenn er das dunkle Haus, das er bewohnen soll,
In stiller Freudigkeit macht Himmelsglanzes voll;
Wenn seine Spitze treu er stets zur Höhe lenkt,
Und eigenwillig nicht sich in die Tiefe senkt;
Nicht gleich der Pflanze will im Boden Wurzel schlagen,
Noch gleich dem Thier am Staub nach niederm Raube jagen;
Nein, wie die Blume sich dem Licht eröffnet gern,
Und immer aufzugehn bereit ist wie ein Stern;
Das aber laͤhmt ihn nicht, und truͤbt nicht ſeinen Glanz;
Erſt als des Ganzen Glied fuͤhlt er ſich ſelber ganz.
In ſeinem Kreis mit Luſt wirkt er durch hoͤh're Kraft;
Und alſo wirke du in deinem ſonnenhaft.
Wo du in Gott dich fuͤhlſt, ſtehſt du im Mittelpunkt;
Und wo du ihn verlierſt, biſt du ins All zerfunkt.

85.
Wenn jener Funke Licht in dir vom hoͤchſten Licht
Vergiſſet ſeiner Pflicht und ſeines Urſprungs nicht;
Wenn er das dunkle Haus, das er bewohnen ſoll,
In ſtiller Freudigkeit macht Himmelsglanzes voll;
Wenn ſeine Spitze treu er ſtets zur Hoͤhe lenkt,
Und eigenwillig nicht ſich in die Tiefe ſenkt;
Nicht gleich der Pflanze will im Boden Wurzel ſchlagen,
Noch gleich dem Thier am Staub nach niederm Raube jagen;
Nein, wie die Blume ſich dem Licht eroͤffnet gern,
Und immer aufzugehn bereit iſt wie ein Stern;
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0192" n="182"/>
            <lg n="9">
              <l>Das aber la&#x0364;hmt ihn nicht, und tru&#x0364;bt nicht &#x017F;einen Glanz;</l><lb/>
              <l>Er&#x017F;t als des Ganzen Glied fu&#x0364;hlt er &#x017F;ich &#x017F;elber ganz.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="10">
              <l>In &#x017F;einem Kreis mit Lu&#x017F;t wirkt er durch ho&#x0364;h're Kraft;</l><lb/>
              <l>Und al&#x017F;o wirke du in deinem &#x017F;onnenhaft.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="11">
              <l>Wo du in Gott dich fu&#x0364;hl&#x017F;t, &#x017F;teh&#x017F;t du im Mittelpunkt;</l><lb/>
              <l>Und wo du ihn verlier&#x017F;t, bi&#x017F;t du ins All zerfunkt.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>85.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Wenn jener Funke Licht in dir vom ho&#x0364;ch&#x017F;ten Licht</l><lb/>
              <l>Vergi&#x017F;&#x017F;et &#x017F;einer Pflicht und &#x017F;eines Ur&#x017F;prungs nicht;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Wenn er das dunkle Haus, das er bewohnen &#x017F;oll,</l><lb/>
              <l>In &#x017F;tiller Freudigkeit macht Himmelsglanzes voll;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Wenn &#x017F;eine Spitze treu er &#x017F;tets zur Ho&#x0364;he lenkt,</l><lb/>
              <l>Und eigenwillig nicht &#x017F;ich in die Tiefe &#x017F;enkt;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Nicht gleich der Pflanze will im Boden Wurzel &#x017F;chlagen,</l><lb/>
              <l>Noch gleich dem Thier am Staub nach niederm Raube jagen;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>Nein, wie die Blume &#x017F;ich dem Licht ero&#x0364;ffnet gern,</l><lb/>
              <l>Und immer aufzugehn bereit i&#x017F;t wie ein Stern;</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[182/0192] Das aber laͤhmt ihn nicht, und truͤbt nicht ſeinen Glanz; Erſt als des Ganzen Glied fuͤhlt er ſich ſelber ganz. In ſeinem Kreis mit Luſt wirkt er durch hoͤh're Kraft; Und alſo wirke du in deinem ſonnenhaft. Wo du in Gott dich fuͤhlſt, ſtehſt du im Mittelpunkt; Und wo du ihn verlierſt, biſt du ins All zerfunkt. 85. Wenn jener Funke Licht in dir vom hoͤchſten Licht Vergiſſet ſeiner Pflicht und ſeines Urſprungs nicht; Wenn er das dunkle Haus, das er bewohnen ſoll, In ſtiller Freudigkeit macht Himmelsglanzes voll; Wenn ſeine Spitze treu er ſtets zur Hoͤhe lenkt, Und eigenwillig nicht ſich in die Tiefe ſenkt; Nicht gleich der Pflanze will im Boden Wurzel ſchlagen, Noch gleich dem Thier am Staub nach niederm Raube jagen; Nein, wie die Blume ſich dem Licht eroͤffnet gern, Und immer aufzugehn bereit iſt wie ein Stern;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/192
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/192>, abgerufen am 21.11.2024.