Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.33. Die Seele, die herab ist in den Leib gestiegen, Hat halb, dem Vogel gleich im Baur, verlernt das Fliegen; Nahm Schwere an und gab dem Leib des Schwunges Kraft, Daß sie halb leibhaft ward, der Leib halb seelenhaft. Sie hat ein dunkles Haus mit ihrem Licht erhellt, Deswegen aber selbst ins Dunkle sich gestellt. Sie hat dem todten Leib sein Leben eingegeben, Aufgebend selbst um Tod ein Theil von ihrem Leben. Die Liebe wars, die sie zu ihm herniederzog, Mit ihm in Staub zu gehn, die ohn' ihn droben flog. Sowie dem Glauben auch herab sich hat gelassen Die Gottheit menschlich, daß sie Menschenherzen fassen. Und wie ein Weiser aus der Weisheit hellen Sfären Herabsteigt, um die Nacht der Blödheit aufzuklären. Er will sich eines Theils der Weisheit gern begeben, Um die Unwissenheit zum Wissen zu erheben. 33. Die Seele, die herab iſt in den Leib geſtiegen, Hat halb, dem Vogel gleich im Baur, verlernt das Fliegen; Nahm Schwere an und gab dem Leib des Schwunges Kraft, Daß ſie halb leibhaft ward, der Leib halb ſeelenhaft. Sie hat ein dunkles Haus mit ihrem Licht erhellt, Deswegen aber ſelbſt ins Dunkle ſich geſtellt. Sie hat dem todten Leib ſein Leben eingegeben, Aufgebend ſelbſt um Tod ein Theil von ihrem Leben. Die Liebe wars, die ſie zu ihm herniederzog, Mit ihm in Staub zu gehn, die ohn' ihn droben flog. Sowie dem Glauben auch herab ſich hat gelaſſen Die Gottheit menſchlich, daß ſie Menſchenherzen faſſen. Und wie ein Weiſer aus der Weisheit hellen Sfaͤren Herabſteigt, um die Nacht der Bloͤdheit aufzuklaͤren. Er will ſich eines Theils der Weisheit gern begeben, Um die Unwiſſenheit zum Wiſſen zu erheben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0146" n="136"/> <div n="2"> <head>33.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Die Seele, die herab iſt in den Leib geſtiegen,</l><lb/> <l>Hat halb, dem Vogel gleich im Baur, verlernt das Fliegen;</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Nahm Schwere an und gab dem Leib des Schwunges Kraft,</l><lb/> <l>Daß ſie halb leibhaft ward, der Leib halb ſeelenhaft.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Sie hat ein dunkles Haus mit ihrem Licht erhellt,</l><lb/> <l>Deswegen aber ſelbſt ins Dunkle ſich geſtellt.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Sie hat dem todten Leib ſein Leben eingegeben,</l><lb/> <l>Aufgebend ſelbſt um Tod ein Theil von ihrem Leben.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Die Liebe wars, die ſie zu ihm herniederzog,</l><lb/> <l>Mit ihm in Staub zu gehn, die ohn' ihn droben flog.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Sowie dem Glauben auch herab ſich hat gelaſſen</l><lb/> <l>Die Gottheit menſchlich, daß ſie Menſchenherzen faſſen.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Und wie ein Weiſer aus der Weisheit hellen Sfaͤren</l><lb/> <l>Herabſteigt, um die Nacht der Bloͤdheit aufzuklaͤren.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Er will ſich eines Theils der Weisheit gern begeben,</l><lb/> <l>Um die Unwiſſenheit zum Wiſſen zu erheben.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [136/0146]
33.
Die Seele, die herab iſt in den Leib geſtiegen,
Hat halb, dem Vogel gleich im Baur, verlernt das Fliegen;
Nahm Schwere an und gab dem Leib des Schwunges Kraft,
Daß ſie halb leibhaft ward, der Leib halb ſeelenhaft.
Sie hat ein dunkles Haus mit ihrem Licht erhellt,
Deswegen aber ſelbſt ins Dunkle ſich geſtellt.
Sie hat dem todten Leib ſein Leben eingegeben,
Aufgebend ſelbſt um Tod ein Theil von ihrem Leben.
Die Liebe wars, die ſie zu ihm herniederzog,
Mit ihm in Staub zu gehn, die ohn' ihn droben flog.
Sowie dem Glauben auch herab ſich hat gelaſſen
Die Gottheit menſchlich, daß ſie Menſchenherzen faſſen.
Und wie ein Weiſer aus der Weisheit hellen Sfaͤren
Herabſteigt, um die Nacht der Bloͤdheit aufzuklaͤren.
Er will ſich eines Theils der Weisheit gern begeben,
Um die Unwiſſenheit zum Wiſſen zu erheben.
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Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/146>, abgerufen am 22.02.2025. |