Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.106. Oft geh' ich durch die Flur, mein Auge still zu weiden, Alswie ein Hirt sein Lamm auf überblümten Heiden. Dann frag' ich mich, was ich die Blumen sonst gefragt, Und sage mir, was sonst die Blumen mir gesagt. Von der ich einen Gruß empfangen hab' im Winde, Ihr Blumen saget mir, wo ich die Liebe finde. Geh suche nur! sie ist wie Kindes Festbescherung Von Mutter auf der Flur versteckt in Blumumwehrung. Neugierig schaut' ich da in alle Blumenwiegen, Und glaubte sie wie Thau in jedem Kelche liegen. Und da wo ich sie fand, da stellten sich im Kreise Die Blumenchöre auf, mit mir zu beten leise. Die Blumen frag' ich nun: wo ist sie hingekommen? Und leise sagen sie: den Strom hinabgeschwommen. 106. Oft geh' ich durch die Flur, mein Auge ſtill zu weiden, Alswie ein Hirt ſein Lamm auf uͤberbluͤmten Heiden. Dann frag' ich mich, was ich die Blumen ſonſt gefragt, Und ſage mir, was ſonſt die Blumen mir geſagt. Von der ich einen Gruß empfangen hab' im Winde, Ihr Blumen ſaget mir, wo ich die Liebe finde. Geh ſuche nur! ſie iſt wie Kindes Feſtbeſcherung Von Mutter auf der Flur verſteckt in Blumumwehrung. Neugierig ſchaut' ich da in alle Blumenwiegen, Und glaubte ſie wie Thau in jedem Kelche liegen. Und da wo ich ſie fand, da ſtellten ſich im Kreiſe Die Blumenchoͤre auf, mit mir zu beten leiſe. Die Blumen frag' ich nun: wo iſt ſie hingekommen? Und leiſe ſagen ſie: den Strom hinabgeſchwommen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0119" n="109"/> <div n="2"> <head>106.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Oft geh' ich durch die Flur, mein Auge ſtill zu weiden,</l><lb/> <l>Alswie ein Hirt ſein Lamm auf uͤberbluͤmten Heiden.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Dann frag' ich mich, was ich die Blumen ſonſt gefragt,</l><lb/> <l>Und ſage mir, was ſonſt die Blumen mir geſagt.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Von der ich einen Gruß empfangen hab' im Winde,</l><lb/> <l>Ihr Blumen ſaget mir, wo ich die Liebe finde.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Geh ſuche nur! ſie iſt wie Kindes Feſtbeſcherung</l><lb/> <l>Von Mutter auf der Flur verſteckt in Blumumwehrung.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Neugierig ſchaut' ich da in alle Blumenwiegen,</l><lb/> <l>Und glaubte ſie wie Thau in jedem Kelche liegen.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Und da wo ich ſie fand, da ſtellten ſich im Kreiſe</l><lb/> <l>Die Blumenchoͤre auf, mit mir zu beten leiſe.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Die Blumen frag' ich nun: wo iſt ſie hingekommen?</l><lb/> <l>Und leiſe ſagen ſie: den Strom hinabgeſchwommen.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [109/0119]
106.
Oft geh' ich durch die Flur, mein Auge ſtill zu weiden,
Alswie ein Hirt ſein Lamm auf uͤberbluͤmten Heiden.
Dann frag' ich mich, was ich die Blumen ſonſt gefragt,
Und ſage mir, was ſonſt die Blumen mir geſagt.
Von der ich einen Gruß empfangen hab' im Winde,
Ihr Blumen ſaget mir, wo ich die Liebe finde.
Geh ſuche nur! ſie iſt wie Kindes Feſtbeſcherung
Von Mutter auf der Flur verſteckt in Blumumwehrung.
Neugierig ſchaut' ich da in alle Blumenwiegen,
Und glaubte ſie wie Thau in jedem Kelche liegen.
Und da wo ich ſie fand, da ſtellten ſich im Kreiſe
Die Blumenchoͤre auf, mit mir zu beten leiſe.
Die Blumen frag' ich nun: wo iſt ſie hingekommen?
Und leiſe ſagen ſie: den Strom hinabgeſchwommen.
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Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/119>, abgerufen am 22.02.2025. |