Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.100. Jemehr du aus ihm nimmst, je größer wird der Graben; Freigebigkeit, das ist ein Bild von deinen Gaben. Dem edlen Sinn ist kein geringes Bild zu klein, Er macht es sich zurecht, und legt sich selbst hinein. Sei du der Schöpfbrunn, der gern allen Nachbarn borgt, Und vor Erschöpfung ist am wenigsten besorgt. Er hat stets frische Füll', erhält man ihn im Zug; Wo nicht, so überzieht ihn Schimmel bald genug. Sei du das Licht im Haus, vom Scheffel unverdeckt, Das glänzt, wenn an ihm wird ein andres angesteckt. Es geht davon nicht aus, und seinen Widerschein Sieht es im Nachbarhaus, kein Stern glänzt gern allein. Wir alle sind nur Stern' in einer Erdennacht, Gehn aus wie Lampen gern, wann unser Tag erwacht. 100. Jemehr du aus ihm nimmſt, je groͤßer wird der Graben; Freigebigkeit, das iſt ein Bild von deinen Gaben. Dem edlen Sinn iſt kein geringes Bild zu klein, Er macht es ſich zurecht, und legt ſich ſelbſt hinein. Sei du der Schoͤpfbrunn, der gern allen Nachbarn borgt, Und vor Erſchoͤpfung iſt am wenigſten beſorgt. Er hat ſtets friſche Fuͤll', erhaͤlt man ihn im Zug; Wo nicht, ſo uͤberzieht ihn Schimmel bald genug. Sei du das Licht im Haus, vom Scheffel unverdeckt, Das glaͤnzt, wenn an ihm wird ein andres angeſteckt. Es geht davon nicht aus, und ſeinen Widerſchein Sieht es im Nachbarhaus, kein Stern glaͤnzt gern allein. Wir alle ſind nur Stern' in einer Erdennacht, Gehn aus wie Lampen gern, wann unſer Tag erwacht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0113" n="103"/> <div n="2"> <head>100.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Jemehr du aus ihm nimmſt, je groͤßer wird der Graben;</l><lb/> <l>Freigebigkeit, das iſt ein Bild von deinen Gaben.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Dem edlen Sinn iſt kein geringes Bild zu klein,</l><lb/> <l>Er macht es ſich zurecht, und legt ſich ſelbſt hinein.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Sei du der Schoͤpfbrunn, der gern allen Nachbarn borgt,</l><lb/> <l>Und vor Erſchoͤpfung iſt am wenigſten beſorgt.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Er hat ſtets friſche Fuͤll', erhaͤlt man ihn im Zug;</l><lb/> <l>Wo nicht, ſo uͤberzieht ihn Schimmel bald genug.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Sei du das Licht im Haus, vom Scheffel unverdeckt,</l><lb/> <l>Das glaͤnzt, wenn an ihm wird ein andres angeſteckt.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Es geht davon nicht aus, und ſeinen Widerſchein</l><lb/> <l>Sieht es im Nachbarhaus, kein Stern glaͤnzt gern allein.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Wir alle ſind nur Stern' in einer Erdennacht,</l><lb/> <l>Gehn aus wie Lampen gern, wann unſer Tag erwacht.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [103/0113]
100.
Jemehr du aus ihm nimmſt, je groͤßer wird der Graben;
Freigebigkeit, das iſt ein Bild von deinen Gaben.
Dem edlen Sinn iſt kein geringes Bild zu klein,
Er macht es ſich zurecht, und legt ſich ſelbſt hinein.
Sei du der Schoͤpfbrunn, der gern allen Nachbarn borgt,
Und vor Erſchoͤpfung iſt am wenigſten beſorgt.
Er hat ſtets friſche Fuͤll', erhaͤlt man ihn im Zug;
Wo nicht, ſo uͤberzieht ihn Schimmel bald genug.
Sei du das Licht im Haus, vom Scheffel unverdeckt,
Das glaͤnzt, wenn an ihm wird ein andres angeſteckt.
Es geht davon nicht aus, und ſeinen Widerſchein
Sieht es im Nachbarhaus, kein Stern glaͤnzt gern allein.
Wir alle ſind nur Stern' in einer Erdennacht,
Gehn aus wie Lampen gern, wann unſer Tag erwacht.
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