Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838.107. Auf Reisen willst du gehn? was willst du sehn auf Reisen? Laß dir die Lust vergehn, die Lust zu gehn auf Reisen! Die Welt ist immer jung, du bist geworden alt, Das merkst du weniger am alten Aufenthalt. Das sagt im fremden Raum dir jeder frische Baum: Dein Lenz ist abgeblüht, und ausgeträumt dein Traum. Drum rath' ich dir, wenn Rath du willst annehmen: Reise, Nicht gradaus wie der Wind, nur wie die Sonn im Kreise! Heb in Gedanken dich zu ihr empor, und schau Herab: die Erd' ist grün, soweit der Himmel blau. 107. Auf Reiſen willſt du gehn? was willſt du ſehn auf Reiſen? Laß dir die Luſt vergehn, die Luſt zu gehn auf Reiſen! Die Welt iſt immer jung, du biſt geworden alt, Das merkſt du weniger am alten Aufenthalt. Das ſagt im fremden Raum dir jeder friſche Baum: Dein Lenz iſt abgebluͤht, und ausgetraͤumt dein Traum. Drum rath' ich dir, wenn Rath du willſt annehmen: Reiſe, Nicht gradaus wie der Wind, nur wie die Sonn im Kreiſe! Heb in Gedanken dich zu ihr empor, und ſchau Herab: die Erd' iſt gruͤn, ſoweit der Himmel blau. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0082" n="72"/> <div n="2"> <head>107.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Auf Reiſen willſt du gehn? was willſt du ſehn auf Reiſen?</l><lb/> <l>Laß dir die Luſt vergehn, die Luſt zu gehn auf Reiſen!</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Die Welt iſt immer jung, du biſt geworden alt,</l><lb/> <l>Das merkſt du weniger am alten Aufenthalt.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Das ſagt im fremden Raum dir jeder friſche Baum:</l><lb/> <l>Dein Lenz iſt abgebluͤht, und ausgetraͤumt dein Traum.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Drum rath' ich dir, wenn Rath du willſt annehmen: Reiſe,</l><lb/> <l>Nicht gradaus wie der Wind, nur wie die Sonn im Kreiſe!</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Heb in Gedanken dich zu ihr empor, und ſchau</l><lb/> <l>Herab: die Erd' iſt gruͤn, ſoweit der Himmel blau.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [72/0082]
107.
Auf Reiſen willſt du gehn? was willſt du ſehn auf Reiſen?
Laß dir die Luſt vergehn, die Luſt zu gehn auf Reiſen!
Die Welt iſt immer jung, du biſt geworden alt,
Das merkſt du weniger am alten Aufenthalt.
Das ſagt im fremden Raum dir jeder friſche Baum:
Dein Lenz iſt abgebluͤht, und ausgetraͤumt dein Traum.
Drum rath' ich dir, wenn Rath du willſt annehmen: Reiſe,
Nicht gradaus wie der Wind, nur wie die Sonn im Kreiſe!
Heb in Gedanken dich zu ihr empor, und ſchau
Herab: die Erd' iſt gruͤn, ſoweit der Himmel blau.
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Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane04_1838/82>, abgerufen am 04.07.2024. |