Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838.72. Man schlägt die Kinder nicht mit schon gebrauchten Besen, Aus frischen Zweigen muß man dazu Ruthen lesen. Denn nicht aufs Ohngefähr geübt wird Kinderzucht, Das Werkzeug sei dazu mit Sorgfalt ausgesucht. Vom Kinde, das sie schlug, soll sie den Namen tragen, Und mit der Ruthe sollst du dann kein Thier mehr schlagen. 73. Drück manchmal zu ein Aug'! es ist nicht schwer, der Flor Der Wimper hängt daran, zieh ihn nur leise vor! Doch lerne schließen auch, was schwerer ist, das Ohr! Von innen schließ es! denn kein Schloß ist außen vor. Laß dich die Uebung in der Kunst nur nicht verdrießen, Zu rechter Zeit das Aug' als wie das Ohr zu schließen; Sonst hast du keine Ruh, weil, wie die Leute sprechen, All wissen Kopfweh macht, all hören Ohrenstechen. 72. Man ſchlaͤgt die Kinder nicht mit ſchon gebrauchten Beſen, Aus friſchen Zweigen muß man dazu Ruthen leſen. Denn nicht aufs Ohngefaͤhr geuͤbt wird Kinderzucht, Das Werkzeug ſei dazu mit Sorgfalt ausgeſucht. Vom Kinde, das ſie ſchlug, ſoll ſie den Namen tragen, Und mit der Ruthe ſollſt du dann kein Thier mehr ſchlagen. 73. Druͤck manchmal zu ein Aug'! es iſt nicht ſchwer, der Flor Der Wimper haͤngt daran, zieh ihn nur leiſe vor! Doch lerne ſchließen auch, was ſchwerer iſt, das Ohr! Von innen ſchließ es! denn kein Schloß iſt außen vor. Laß dich die Uebung in der Kunſt nur nicht verdrießen, Zu rechter Zeit das Aug' als wie das Ohr zu ſchließen; Sonſt haſt du keine Ruh, weil, wie die Leute ſprechen, All wiſſen Kopfweh macht, all hoͤren Ohrenſtechen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0058" n="48"/> <div n="2"> <head>72.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Man ſchlaͤgt die Kinder nicht mit ſchon gebrauchten Beſen,</l><lb/> <l>Aus friſchen Zweigen muß man dazu Ruthen leſen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Denn nicht aufs Ohngefaͤhr geuͤbt wird Kinderzucht,</l><lb/> <l>Das Werkzeug ſei dazu mit Sorgfalt ausgeſucht.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Vom Kinde, das ſie ſchlug, ſoll ſie den Namen tragen,</l><lb/> <l>Und mit der Ruthe ſollſt du dann kein Thier mehr ſchlagen.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>73.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Druͤck manchmal zu ein Aug'! es iſt nicht ſchwer, der Flor</l><lb/> <l>Der Wimper haͤngt daran, zieh ihn nur leiſe vor!</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Doch lerne ſchließen auch, was ſchwerer iſt, das Ohr!</l><lb/> <l>Von innen ſchließ es! denn kein Schloß iſt außen vor.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Laß dich die Uebung in der Kunſt nur nicht verdrießen,</l><lb/> <l>Zu rechter Zeit das Aug' als wie das Ohr zu ſchließen;</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Sonſt haſt du keine Ruh, weil, wie die Leute ſprechen,</l><lb/> <l>All wiſſen Kopfweh macht, all hoͤren Ohrenſtechen.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [48/0058]
72.
Man ſchlaͤgt die Kinder nicht mit ſchon gebrauchten Beſen,
Aus friſchen Zweigen muß man dazu Ruthen leſen.
Denn nicht aufs Ohngefaͤhr geuͤbt wird Kinderzucht,
Das Werkzeug ſei dazu mit Sorgfalt ausgeſucht.
Vom Kinde, das ſie ſchlug, ſoll ſie den Namen tragen,
Und mit der Ruthe ſollſt du dann kein Thier mehr ſchlagen.
73.
Druͤck manchmal zu ein Aug'! es iſt nicht ſchwer, der Flor
Der Wimper haͤngt daran, zieh ihn nur leiſe vor!
Doch lerne ſchließen auch, was ſchwerer iſt, das Ohr!
Von innen ſchließ es! denn kein Schloß iſt außen vor.
Laß dich die Uebung in der Kunſt nur nicht verdrießen,
Zu rechter Zeit das Aug' als wie das Ohr zu ſchließen;
Sonſt haſt du keine Ruh, weil, wie die Leute ſprechen,
All wiſſen Kopfweh macht, all hoͤren Ohrenſtechen.
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Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane04_1838/58>, abgerufen am 25.07.2024. |