Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838.66. Der Mutter. Wol gönnen darf ich's dir, daß du vor mir gegangen, Nicht diesen Schmerz von mir, den ich von dir, empfangen; Daß du mich bleiben sah'st, und ich dich sah verscheiden; Denn seh'n Geliebter Tod ist mehr als eigne Leiden. 67. Gott, der dir manches Leid im langen Leben gab, Und endlich Ausruh dir von allen gab im Grab, Hab' ich gebeten oft, dich nur zu überheben Des einen, daß du mich auch müssest überleben. Mit Gott nun hab' ich dir die Augen zugethan, So daß ich, ohne dich zu kränken, sterben kann. 66. Der Mutter. Wol goͤnnen darf ich's dir, daß du vor mir gegangen, Nicht dieſen Schmerz von mir, den ich von dir, empfangen; Daß du mich bleiben ſah'ſt, und ich dich ſah verſcheiden; Denn ſeh'n Geliebter Tod iſt mehr als eigne Leiden. 67. Gott, der dir manches Leid im langen Leben gab, Und endlich Ausruh dir von allen gab im Grab, Hab' ich gebeten oft, dich nur zu uͤberheben Des einen, daß du mich auch muͤſſeſt uͤberleben. Mit Gott nun hab' ich dir die Augen zugethan, So daß ich, ohne dich zu kraͤnken, ſterben kann. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0321" n="311"/> <div n="2"> <head>66.</head><lb/> <p>Der Mutter.</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wol goͤnnen darf ich's dir, daß du vor mir gegangen,</l><lb/> <l>Nicht dieſen Schmerz von mir, den ich von dir, empfangen;</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Daß du mich bleiben ſah'ſt, und ich dich ſah verſcheiden;</l><lb/> <l>Denn ſeh'n Geliebter Tod iſt mehr als eigne Leiden.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>67.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Gott, der dir manches Leid im langen Leben gab,</l><lb/> <l>Und endlich Ausruh dir von allen gab im Grab,</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Hab' ich gebeten oft, dich nur zu uͤberheben</l><lb/> <l>Des einen, daß du mich auch muͤſſeſt uͤberleben.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Mit Gott nun hab' ich dir die Augen zugethan,</l><lb/> <l>So daß ich, ohne dich zu kraͤnken, ſterben kann.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [311/0321]
66.
Der Mutter.
Wol goͤnnen darf ich's dir, daß du vor mir gegangen,
Nicht dieſen Schmerz von mir, den ich von dir, empfangen;
Daß du mich bleiben ſah'ſt, und ich dich ſah verſcheiden;
Denn ſeh'n Geliebter Tod iſt mehr als eigne Leiden.
67.
Gott, der dir manches Leid im langen Leben gab,
Und endlich Ausruh dir von allen gab im Grab,
Hab' ich gebeten oft, dich nur zu uͤberheben
Des einen, daß du mich auch muͤſſeſt uͤberleben.
Mit Gott nun hab' ich dir die Augen zugethan,
So daß ich, ohne dich zu kraͤnken, ſterben kann.
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