Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838.Nicht Spekulation und Aktien-Eisenbahn, Feuerversicherung, Stadtschuldentilgungsplan. Hoch über Qualm und Koth, irdischem Drang und Noth, Am Himmel geht ein Weg durch Morgenabendroth. Und wann ich zugelauscht, und mit darein getauscht Ein Wörtchen, schweig' ich satt von Duft und wohlberauscht. Und wie ich winke, gehn beiseit die frommen Schäfchen, Und geben gerne Raum mir für ein Mittagschläfchen. 61. Wie alt ist Gottes Welt? Die Rechnung magst du sparen; Ihr Lebensalter zählt sich nicht nach tausend Jahren. Wenn Gott ist ewig, muß die Welt auch ewig seyn; Denn Gott ist unser Licht, und Welten dessen Schein. Kein Licht kann seyn, ohn' auch mit Schein sich zu umzirken, Und kein Werkmeister, ohn' ein Meisterwerk zu wirken. Warum muß aber hier sich Gutem Böses gatten? Weil, wenn der Schein vom Licht sich trennt, er wird zum Schatten. Nicht Spekulation und Aktien-Eiſenbahn, Feuerverſicherung, Stadtſchuldentilgungsplan. Hoch uͤber Qualm und Koth, irdiſchem Drang und Noth, Am Himmel geht ein Weg durch Morgenabendroth. Und wann ich zugelauſcht, und mit darein getauſcht Ein Woͤrtchen, ſchweig' ich ſatt von Duft und wohlberauſcht. Und wie ich winke, gehn beiſeit die frommen Schaͤfchen, Und geben gerne Raum mir fuͤr ein Mittagſchlaͤfchen. 61. Wie alt iſt Gottes Welt? Die Rechnung magſt du ſparen; Ihr Lebensalter zaͤhlt ſich nicht nach tauſend Jahren. Wenn Gott iſt ewig, muß die Welt auch ewig ſeyn; Denn Gott iſt unſer Licht, und Welten deſſen Schein. Kein Licht kann ſeyn, ohn' auch mit Schein ſich zu umzirken, Und kein Werkmeiſter, ohn' ein Meiſterwerk zu wirken. Warum muß aber hier ſich Gutem Boͤſes gatten? Weil, wenn der Schein vom Licht ſich trennt, er wird zum Schatten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0315" n="305"/> <lg n="9"> <l>Nicht Spekulation und Aktien-Eiſenbahn,</l><lb/> <l>Feuerverſicherung, Stadtſchuldentilgungsplan.</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Hoch uͤber Qualm und Koth, irdiſchem Drang und Noth,</l><lb/> <l>Am Himmel geht ein Weg durch Morgenabendroth.</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>Und wann ich zugelauſcht, und mit darein getauſcht</l><lb/> <l>Ein Woͤrtchen, ſchweig' ich ſatt von Duft und wohlberauſcht.</l> </lg><lb/> <lg n="12"> <l>Und wie ich winke, gehn beiſeit die frommen Schaͤfchen,</l><lb/> <l>Und geben gerne Raum mir fuͤr ein Mittagſchlaͤfchen.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>61.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wie alt iſt Gottes Welt? Die Rechnung magſt du ſparen;</l><lb/> <l>Ihr Lebensalter zaͤhlt ſich nicht nach tauſend Jahren.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Wenn Gott iſt ewig, muß die Welt auch ewig ſeyn;</l><lb/> <l>Denn Gott iſt unſer Licht, und Welten deſſen Schein.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Kein Licht kann ſeyn, ohn' auch mit Schein ſich zu umzirken,</l><lb/> <l>Und kein Werkmeiſter, ohn' ein Meiſterwerk zu wirken.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Warum muß aber hier ſich Gutem Boͤſes gatten?</l><lb/> <l>Weil, wenn der Schein vom Licht ſich trennt, er wird zum Schatten.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [305/0315]
Nicht Spekulation und Aktien-Eiſenbahn,
Feuerverſicherung, Stadtſchuldentilgungsplan.
Hoch uͤber Qualm und Koth, irdiſchem Drang und Noth,
Am Himmel geht ein Weg durch Morgenabendroth.
Und wann ich zugelauſcht, und mit darein getauſcht
Ein Woͤrtchen, ſchweig' ich ſatt von Duft und wohlberauſcht.
Und wie ich winke, gehn beiſeit die frommen Schaͤfchen,
Und geben gerne Raum mir fuͤr ein Mittagſchlaͤfchen.
61.
Wie alt iſt Gottes Welt? Die Rechnung magſt du ſparen;
Ihr Lebensalter zaͤhlt ſich nicht nach tauſend Jahren.
Wenn Gott iſt ewig, muß die Welt auch ewig ſeyn;
Denn Gott iſt unſer Licht, und Welten deſſen Schein.
Kein Licht kann ſeyn, ohn' auch mit Schein ſich zu umzirken,
Und kein Werkmeiſter, ohn' ein Meiſterwerk zu wirken.
Warum muß aber hier ſich Gutem Boͤſes gatten?
Weil, wenn der Schein vom Licht ſich trennt, er wird zum Schatten.
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Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane04_1838/315>, abgerufen am 22.02.2025. |