Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838.Am selben Abende, mir ungeahnet, fern, Bist du gegangen, abgerufen von dem Herrn. Ward von dem Schlage so der Lebensbaum vernichtet? So wenig nichtig ist, was Liebe je gedichtet. In einem Augenblick hab' ich ein langes Leben Mit dir gelebt, und kann der Gruft dich ruhig geben. 13. Die Mutter hast du mir, den Vater noch vorab, Die Schwester zwischenein, geleitet all' zu Grab. Den allen warest du nicht Arzt allein des Leibes, Ein Seelentrost und Freund; das sei auch mir und bleib' es. Nenn' ich dich Aeskulap? ich nenne rüstig heiter Dich Hermes mit dem Stab, den Seelenheimgeleiter. Du legest ja nicht auf, erhebest nur den Zoll, Und hilfst gewissenhaft sterben, was sterben soll. Ihr Aerzte seid einmal verordnet uns zu Mördern; Heil denen, die geschickt und freundlich uns befördern. Am ſelben Abende, mir ungeahnet, fern, Biſt du gegangen, abgerufen von dem Herrn. Ward von dem Schlage ſo der Lebensbaum vernichtet? So wenig nichtig iſt, was Liebe je gedichtet. In einem Augenblick hab' ich ein langes Leben Mit dir gelebt, und kann der Gruft dich ruhig geben. 13. Die Mutter haſt du mir, den Vater noch vorab, Die Schweſter zwiſchenein, geleitet all' zu Grab. Den allen wareſt du nicht Arzt allein des Leibes, Ein Seelentroſt und Freund; das ſei auch mir und bleib' es. Nenn' ich dich Aeskulap? ich nenne ruͤſtig heiter Dich Hermes mit dem Stab, den Seelenheimgeleiter. Du legeſt ja nicht auf, erhebeſt nur den Zoll, Und hilfſt gewiſſenhaft ſterben, was ſterben ſoll. Ihr Aerzte ſeid einmal verordnet uns zu Moͤrdern; Heil denen, die geſchickt und freundlich uns befoͤrdern. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0285" n="275"/> <lg n="5"> <l>Am ſelben Abende, mir ungeahnet, fern,</l><lb/> <l>Biſt du gegangen, abgerufen von dem Herrn.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Ward von dem Schlage ſo der Lebensbaum vernichtet?</l><lb/> <l>So wenig nichtig iſt, was Liebe je gedichtet.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>In einem Augenblick hab' ich ein langes Leben</l><lb/> <l>Mit dir gelebt, und kann der Gruft dich ruhig geben.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>13.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Die Mutter haſt du mir, den Vater noch vorab,</l><lb/> <l>Die Schweſter zwiſchenein, geleitet all' zu Grab.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Den allen wareſt du nicht Arzt allein des Leibes,</l><lb/> <l>Ein Seelentroſt und Freund; das ſei auch mir und bleib' es.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Nenn' ich dich Aeskulap? ich nenne ruͤſtig heiter</l><lb/> <l>Dich Hermes mit dem Stab, den Seelenheimgeleiter.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Du legeſt ja nicht auf, erhebeſt nur den Zoll,</l><lb/> <l>Und hilfſt gewiſſenhaft ſterben, was ſterben ſoll.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Ihr Aerzte ſeid einmal verordnet uns zu Moͤrdern;</l><lb/> <l>Heil denen, die geſchickt und freundlich uns befoͤrdern.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [275/0285]
Am ſelben Abende, mir ungeahnet, fern,
Biſt du gegangen, abgerufen von dem Herrn.
Ward von dem Schlage ſo der Lebensbaum vernichtet?
So wenig nichtig iſt, was Liebe je gedichtet.
In einem Augenblick hab' ich ein langes Leben
Mit dir gelebt, und kann der Gruft dich ruhig geben.
13.
Die Mutter haſt du mir, den Vater noch vorab,
Die Schweſter zwiſchenein, geleitet all' zu Grab.
Den allen wareſt du nicht Arzt allein des Leibes,
Ein Seelentroſt und Freund; das ſei auch mir und bleib' es.
Nenn' ich dich Aeskulap? ich nenne ruͤſtig heiter
Dich Hermes mit dem Stab, den Seelenheimgeleiter.
Du legeſt ja nicht auf, erhebeſt nur den Zoll,
Und hilfſt gewiſſenhaft ſterben, was ſterben ſoll.
Ihr Aerzte ſeid einmal verordnet uns zu Moͤrdern;
Heil denen, die geſchickt und freundlich uns befoͤrdern.
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