Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838.Zwei Wege aber sind zur Freiheit, gut und böse, Hier daß man Formen brech', und dort daß man sie löse. Nicht die Verschiedenheit soll ausgestrichen seyn, Doch des Verschiednen Streit soll ausgeglichen seyn. 174. Den Aberglauben auch, den ich durchaus nicht preise, Ehr' ich als einer Zeit und Stufe Glaubensweise. Wo er unschuldig galt, da will ich ihn nicht schelten; In der Erkenntnis Licht kann er nunmehr nicht gelten. Ein ahnungsreicher Traum aus unsrer Kindheit Nacht, Dem Mann unbrauchbar, der zum Denken ist erwacht. Der Vorzeit Märchenstyl, der Phantasie zum Spiel Zu gönnen, doch für Geist und Herz kein würdig Ziel, Scherzhafte Dichtungsart, die wol zum Scherz gefällt, Doch lächerlich sich macht, wenn sie sich ernsthaft stellt. Zwei Wege aber ſind zur Freiheit, gut und boͤſe, Hier daß man Formen brech', und dort daß man ſie loͤſe. Nicht die Verſchiedenheit ſoll ausgeſtrichen ſeyn, Doch des Verſchiednen Streit ſoll ausgeglichen ſeyn. 174. Den Aberglauben auch, den ich durchaus nicht preiſe, Ehr' ich als einer Zeit und Stufe Glaubensweiſe. Wo er unſchuldig galt, da will ich ihn nicht ſchelten; In der Erkenntnis Licht kann er nunmehr nicht gelten. Ein ahnungsreicher Traum aus unſrer Kindheit Nacht, Dem Mann unbrauchbar, der zum Denken iſt erwacht. Der Vorzeit Maͤrchenſtyl, der Phantaſie zum Spiel Zu goͤnnen, doch fuͤr Geiſt und Herz kein wuͤrdig Ziel, Scherzhafte Dichtungsart, die wol zum Scherz gefaͤllt, Doch laͤcherlich ſich macht, wenn ſie ſich ernſthaft ſtellt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0261" n="251"/> <lg n="4"> <l>Zwei Wege aber ſind zur Freiheit, gut und boͤſe,</l><lb/> <l>Hier daß man Formen brech', und dort daß man ſie loͤſe.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Nicht die Verſchiedenheit ſoll ausgeſtrichen ſeyn,</l><lb/> <l>Doch des Verſchiednen Streit ſoll ausgeglichen ſeyn.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>174.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Den Aberglauben auch, den ich durchaus nicht preiſe,</l><lb/> <l>Ehr' ich als einer Zeit und Stufe Glaubensweiſe.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Wo er unſchuldig galt, da will ich ihn nicht ſchelten;</l><lb/> <l>In der Erkenntnis Licht kann er nunmehr nicht gelten.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Ein ahnungsreicher Traum aus unſrer Kindheit Nacht,</l><lb/> <l>Dem Mann unbrauchbar, der zum Denken iſt erwacht.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Der Vorzeit Maͤrchenſtyl, der Phantaſie zum Spiel</l><lb/> <l>Zu goͤnnen, doch fuͤr Geiſt und Herz kein wuͤrdig Ziel,</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Scherzhafte Dichtungsart, die wol zum Scherz gefaͤllt,</l><lb/> <l>Doch laͤcherlich ſich macht, wenn ſie ſich ernſthaft ſtellt.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [251/0261]
Zwei Wege aber ſind zur Freiheit, gut und boͤſe,
Hier daß man Formen brech', und dort daß man ſie loͤſe.
Nicht die Verſchiedenheit ſoll ausgeſtrichen ſeyn,
Doch des Verſchiednen Streit ſoll ausgeglichen ſeyn.
174.
Den Aberglauben auch, den ich durchaus nicht preiſe,
Ehr' ich als einer Zeit und Stufe Glaubensweiſe.
Wo er unſchuldig galt, da will ich ihn nicht ſchelten;
In der Erkenntnis Licht kann er nunmehr nicht gelten.
Ein ahnungsreicher Traum aus unſrer Kindheit Nacht,
Dem Mann unbrauchbar, der zum Denken iſt erwacht.
Der Vorzeit Maͤrchenſtyl, der Phantaſie zum Spiel
Zu goͤnnen, doch fuͤr Geiſt und Herz kein wuͤrdig Ziel,
Scherzhafte Dichtungsart, die wol zum Scherz gefaͤllt,
Doch laͤcherlich ſich macht, wenn ſie ſich ernſthaft ſtellt.
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