Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite
170.
Woher nimmst du den Muth, von neuem vorzutragen,
Was längst schon besser ward gesagt in alten Tagen? --
Weil alles Alte neu und immer neu muß werden,
So trägt die Dichtung auch stets ihrer Zeit Geberden.
Verwandeln muß sie sich, beharren kann sie nimmer;
Nicht besser wird sie stets, zuweilen wird sie schlimmer.
Ein angestammtes Recht hat jedes Zeitgeschlecht,
Der Zeiten Weisheit sich zu machen mundgerecht.
Und jeder hat dies Recht für sich auch und sein Haus;
Und er macht es nicht schlecht, wenn er damit kommt aus.
Nur hat er nicht das Recht, es andern aufzudringen,
Sein eigen Hausgemächt auch auf den Markt zu bringen.
Bring' ich das Meine doch, so bild' ich wol mir ein,
Es sei für andre noch, und nicht für mich allein.

170.
Woher nimmſt du den Muth, von neuem vorzutragen,
Was laͤngſt ſchon beſſer ward geſagt in alten Tagen? —
Weil alles Alte neu und immer neu muß werden,
So traͤgt die Dichtung auch ſtets ihrer Zeit Geberden.
Verwandeln muß ſie ſich, beharren kann ſie nimmer;
Nicht beſſer wird ſie ſtets, zuweilen wird ſie ſchlimmer.
Ein angeſtammtes Recht hat jedes Zeitgeſchlecht,
Der Zeiten Weisheit ſich zu machen mundgerecht.
Und jeder hat dies Recht fuͤr ſich auch und ſein Haus;
Und er macht es nicht ſchlecht, wenn er damit kommt aus.
Nur hat er nicht das Recht, es andern aufzudringen,
Sein eigen Hausgemaͤcht auch auf den Markt zu bringen.
Bring' ich das Meine doch, ſo bild' ich wol mir ein,
Es ſei fuͤr andre noch, und nicht fuͤr mich allein.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0257" n="247"/>
        <div n="2">
          <head>170.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Woher nimm&#x017F;t du den Muth, von neuem vorzutragen,</l><lb/>
              <l>Was la&#x0364;ng&#x017F;t &#x017F;chon be&#x017F;&#x017F;er ward ge&#x017F;agt in alten Tagen? &#x2014;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Weil alles Alte neu und immer neu muß werden,</l><lb/>
              <l>So tra&#x0364;gt die Dichtung auch &#x017F;tets ihrer Zeit Geberden.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Verwandeln muß &#x017F;ie &#x017F;ich, beharren kann &#x017F;ie nimmer;</l><lb/>
              <l>Nicht be&#x017F;&#x017F;er wird &#x017F;ie &#x017F;tets, zuweilen wird &#x017F;ie &#x017F;chlimmer.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Ein ange&#x017F;tammtes Recht hat jedes Zeitge&#x017F;chlecht,</l><lb/>
              <l>Der Zeiten Weisheit &#x017F;ich zu machen mundgerecht.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>Und jeder hat dies Recht fu&#x0364;r &#x017F;ich auch und &#x017F;ein Haus;</l><lb/>
              <l>Und er macht es nicht &#x017F;chlecht, wenn er damit kommt aus.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Nur hat er nicht das Recht, es andern aufzudringen,</l><lb/>
              <l>Sein eigen Hausgema&#x0364;cht auch auf den Markt zu bringen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="7">
              <l>Bring' ich das Meine doch, &#x017F;o bild' ich wol mir ein,</l><lb/>
              <l>Es &#x017F;ei fu&#x0364;r andre noch, und nicht fu&#x0364;r mich allein.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[247/0257] 170. Woher nimmſt du den Muth, von neuem vorzutragen, Was laͤngſt ſchon beſſer ward geſagt in alten Tagen? — Weil alles Alte neu und immer neu muß werden, So traͤgt die Dichtung auch ſtets ihrer Zeit Geberden. Verwandeln muß ſie ſich, beharren kann ſie nimmer; Nicht beſſer wird ſie ſtets, zuweilen wird ſie ſchlimmer. Ein angeſtammtes Recht hat jedes Zeitgeſchlecht, Der Zeiten Weisheit ſich zu machen mundgerecht. Und jeder hat dies Recht fuͤr ſich auch und ſein Haus; Und er macht es nicht ſchlecht, wenn er damit kommt aus. Nur hat er nicht das Recht, es andern aufzudringen, Sein eigen Hausgemaͤcht auch auf den Markt zu bringen. Bring' ich das Meine doch, ſo bild' ich wol mir ein, Es ſei fuͤr andre noch, und nicht fuͤr mich allein.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane04_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane04_1838/257
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane04_1838/257>, abgerufen am 23.12.2024.