Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838.133. Um Neujahr hattest du, wie mir dein Büchlein sagt, Gedanken, die mich auch um jene Zeit geplagt; Nur mit dem Unterschied: du hast daraus ersonnen Ein Lehrgebäud' und ich nur Lieder draus gesponnen. Nun aber find' ich, daß bei dir gar wirr und kraus Das aussieht, was bei mir sich nimmt ganz menschlich aus. Warum? Du hast umsonst gesucht Zusammenhang Des Sinns, wo mir genügt des Tons Zusammenklang. 134. Wenn du dich lebenslang beschäftigest mit Wörtern, Verachten dich mit Recht, die lieber Ding' erörtern. Wenn du dich wenigstens beschäftigest mit Worten, Aus welchen aufgebaut sind der Begriffe Pforten! Doch wenn du wirklich dich beschäftigst mit dem Wort; Es ist nichts höheres zu finden hier noch dort. 133. Um Neujahr hatteſt du, wie mir dein Buͤchlein ſagt, Gedanken, die mich auch um jene Zeit geplagt; Nur mit dem Unterſchied: du haſt daraus erſonnen Ein Lehrgebaͤud' und ich nur Lieder draus geſponnen. Nun aber find' ich, daß bei dir gar wirr und kraus Das ausſieht, was bei mir ſich nimmt ganz menſchlich aus. Warum? Du haſt umſonſt geſucht Zuſammenhang Des Sinns, wo mir genuͤgt des Tons Zuſammenklang. 134. Wenn du dich lebenslang beſchaͤftigeſt mit Woͤrtern, Verachten dich mit Recht, die lieber Ding' eroͤrtern. Wenn du dich wenigſtens beſchaͤftigeſt mit Worten, Aus welchen aufgebaut ſind der Begriffe Pforten! Doch wenn du wirklich dich beſchaͤftigſt mit dem Wort; Es iſt nichts hoͤheres zu finden hier noch dort. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0232" n="222"/> <div n="2"> <head>133.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Um Neujahr hatteſt du, wie mir dein Buͤchlein ſagt,</l><lb/> <l>Gedanken, die mich auch um jene Zeit geplagt;</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Nur mit dem Unterſchied: du haſt daraus erſonnen</l><lb/> <l>Ein Lehrgebaͤud' und ich nur Lieder draus geſponnen.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Nun aber find' ich, daß bei dir gar wirr und kraus</l><lb/> <l>Das ausſieht, was bei mir ſich nimmt ganz menſchlich aus.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Warum? Du haſt umſonſt geſucht Zuſammenhang</l><lb/> <l>Des Sinns, wo mir genuͤgt des Tons Zuſammenklang.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>134.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wenn du dich lebenslang beſchaͤftigeſt mit Woͤrtern,</l><lb/> <l>Verachten dich mit Recht, die lieber Ding' eroͤrtern.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Wenn du dich wenigſtens beſchaͤftigeſt mit Worten,</l><lb/> <l>Aus welchen aufgebaut ſind der Begriffe Pforten!</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Doch wenn du wirklich dich beſchaͤftigſt mit dem Wort;</l><lb/> <l>Es iſt nichts hoͤheres zu finden hier noch dort.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [222/0232]
133.
Um Neujahr hatteſt du, wie mir dein Buͤchlein ſagt,
Gedanken, die mich auch um jene Zeit geplagt;
Nur mit dem Unterſchied: du haſt daraus erſonnen
Ein Lehrgebaͤud' und ich nur Lieder draus geſponnen.
Nun aber find' ich, daß bei dir gar wirr und kraus
Das ausſieht, was bei mir ſich nimmt ganz menſchlich aus.
Warum? Du haſt umſonſt geſucht Zuſammenhang
Des Sinns, wo mir genuͤgt des Tons Zuſammenklang.
134.
Wenn du dich lebenslang beſchaͤftigeſt mit Woͤrtern,
Verachten dich mit Recht, die lieber Ding' eroͤrtern.
Wenn du dich wenigſtens beſchaͤftigeſt mit Worten,
Aus welchen aufgebaut ſind der Begriffe Pforten!
Doch wenn du wirklich dich beſchaͤftigſt mit dem Wort;
Es iſt nichts hoͤheres zu finden hier noch dort.
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