Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.100. Der Bach zum Strome sprach: Du schlingst mich ein so jach; Ich dacht' ich wär', und fühl', ich bin in dir nichts, ach! Der Strom sprach: Laß das Wort! zum Meere gehn wir fort, Und wie du hier in mir, in ihm vergeh' ich dort. 101. Du ruhst nicht, bis den Strom, der breit durch Länder schwillt, Du schwach und schmal entdeckst, wie er dem Sand entquillt. Und meinst du nun, der Strom sei diesem Quell entsprossen, Da soviel tausend Bäch' in ihm zusammenflossen? Du legst nur, damit klein des Großen Ursprung sei, Den Namen eines Stroms dem winz'gen Rinsal bei. 100. Der Bach zum Strome ſprach: Du ſchlingſt mich ein ſo jach; Ich dacht' ich waͤr', und fuͤhl', ich bin in dir nichts, ach! Der Strom ſprach: Laß das Wort! zum Meere gehn wir fort, Und wie du hier in mir, in ihm vergeh' ich dort. 101. Du ruhſt nicht, bis den Strom, der breit durch Laͤnder ſchwillt, Du ſchwach und ſchmal entdeckſt, wie er dem Sand entquillt. Und meinſt du nun, der Strom ſei dieſem Quell entſproſſen, Da ſoviel tauſend Baͤch' in ihm zuſammenfloſſen? Du legſt nur, damit klein des Großen Urſprung ſei, Den Namen eines Stroms dem winz'gen Rinſal bei. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0099" n="89"/> <div n="2"> <head>100.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Der Bach zum Strome ſprach: Du ſchlingſt mich ein ſo jach;</l><lb/> <l>Ich dacht' ich waͤr', und fuͤhl', ich bin in dir nichts, ach!</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Der Strom ſprach: Laß das Wort! zum Meere gehn wir fort,</l><lb/> <l>Und wie du hier in mir, in ihm vergeh' ich dort.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>101.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Du ruhſt nicht, bis den Strom, der breit durch Laͤnder ſchwillt,</l><lb/> <l>Du ſchwach und ſchmal entdeckſt, wie er dem Sand entquillt.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Und meinſt du nun, der Strom ſei dieſem Quell entſproſſen,</l><lb/> <l>Da ſoviel tauſend Baͤch' in ihm zuſammenfloſſen?</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Du legſt nur, damit klein des Großen Urſprung ſei,</l><lb/> <l>Den Namen eines Stroms dem winz'gen Rinſal bei.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [89/0099]
100.
Der Bach zum Strome ſprach: Du ſchlingſt mich ein ſo jach;
Ich dacht' ich waͤr', und fuͤhl', ich bin in dir nichts, ach!
Der Strom ſprach: Laß das Wort! zum Meere gehn wir fort,
Und wie du hier in mir, in ihm vergeh' ich dort.
101.
Du ruhſt nicht, bis den Strom, der breit durch Laͤnder ſchwillt,
Du ſchwach und ſchmal entdeckſt, wie er dem Sand entquillt.
Und meinſt du nun, der Strom ſei dieſem Quell entſproſſen,
Da ſoviel tauſend Baͤch' in ihm zuſammenfloſſen?
Du legſt nur, damit klein des Großen Urſprung ſei,
Den Namen eines Stroms dem winz'gen Rinſal bei.
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