Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.96. Zwei Augen, die getrennt im eignen Kreise stehn, Und doch dasselbe Ding als eins, nicht doppelt sehn, Sie sind das schönste Bild von zweier Seelen Innung, Die ganz zu einer macht grundeinige Gesinnung. Den gleichen Gegenstand sehn also gleich die beiden, Das sie als zwei ihn gar nicht können unterscheiden. Dis völlig gleiche Sehn hat aber zur Bedingung Des innern Sehgewebs Durchdringung und Verschlingung. Anlag' und Stimmung ist sich so harmonisch gleich, Daß ganz unmöglich wird Zwiespalt in ihrem Reich. Und nie, wenn Krankheit nicht und Rausch den Frieden bricht, Kommt Doppelsichtigkeit in ihre Weltansicht. 96. Zwei Augen, die getrennt im eignen Kreiſe ſtehn, Und doch dasſelbe Ding als eins, nicht doppelt ſehn, Sie ſind das ſchoͤnſte Bild von zweier Seelen Innung, Die ganz zu einer macht grundeinige Geſinnung. Den gleichen Gegenſtand ſehn alſo gleich die beiden, Das ſie als zwei ihn gar nicht koͤnnen unterſcheiden. Dis voͤllig gleiche Sehn hat aber zur Bedingung Des innern Sehgewebs Durchdringung und Verſchlingung. Anlag' und Stimmung iſt ſich ſo harmoniſch gleich, Daß ganz unmoͤglich wird Zwieſpalt in ihrem Reich. Und nie, wenn Krankheit nicht und Rauſch den Frieden bricht, Kommt Doppelſichtigkeit in ihre Weltanſicht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0096" n="86"/> <div n="2"> <head>96.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Zwei Augen, die getrennt im eignen Kreiſe ſtehn,</l><lb/> <l>Und doch dasſelbe Ding als eins, nicht doppelt ſehn,</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Sie ſind das ſchoͤnſte Bild von zweier Seelen Innung,</l><lb/> <l>Die ganz zu einer macht grundeinige Geſinnung.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Den gleichen Gegenſtand ſehn alſo gleich die beiden,</l><lb/> <l>Das ſie als zwei ihn gar nicht koͤnnen unterſcheiden.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Dis voͤllig gleiche Sehn hat aber zur Bedingung</l><lb/> <l>Des innern Sehgewebs Durchdringung und Verſchlingung.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Anlag' und Stimmung iſt ſich ſo harmoniſch gleich,</l><lb/> <l>Daß ganz unmoͤglich wird Zwieſpalt in ihrem Reich.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Und nie, wenn Krankheit nicht und Rauſch den Frieden bricht,</l><lb/> <l>Kommt Doppelſichtigkeit in ihre Weltanſicht.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [86/0096]
96.
Zwei Augen, die getrennt im eignen Kreiſe ſtehn,
Und doch dasſelbe Ding als eins, nicht doppelt ſehn,
Sie ſind das ſchoͤnſte Bild von zweier Seelen Innung,
Die ganz zu einer macht grundeinige Geſinnung.
Den gleichen Gegenſtand ſehn alſo gleich die beiden,
Das ſie als zwei ihn gar nicht koͤnnen unterſcheiden.
Dis voͤllig gleiche Sehn hat aber zur Bedingung
Des innern Sehgewebs Durchdringung und Verſchlingung.
Anlag' und Stimmung iſt ſich ſo harmoniſch gleich,
Daß ganz unmoͤglich wird Zwieſpalt in ihrem Reich.
Und nie, wenn Krankheit nicht und Rauſch den Frieden bricht,
Kommt Doppelſichtigkeit in ihre Weltanſicht.
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