Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.76. Sieh, wie der Dotter so im Weiß des Eies schwimmt, Daß, wie du's drehst, er stets die obre Stell' einnimmt. Er liegt im weißen Meer geschaukelt an zwei schwanker Doch starker Bänder Kraft, alswie ein Schiff vor Anker. Ein Schiff, das ganz und gar aus Proviant besteht, Für ein Lebendiges, das aus dem Keim entsteht. Der Keim, auf welcher Seit' im Nest das Ei auch liegt, Bleibt immer nächst der Brust, die ihn durchwärmt, geschmiegt. Er ist nicht tief ins Ei versenkt, um zu ersticken; Der mürben Schale nah, darf nur das Hünlein picken. Und hört die Mutter drin sein Picken zart und schwach, So hilft sie außen mit dem Schnabel leise nach. Wir liegen an der Brust der Liebe noch im Ei, Und werden, wenn sie hilft, von mürben Schalen frei. 76. Sieh, wie der Dotter ſo im Weiß des Eies ſchwimmt, Daß, wie du's drehſt, er ſtets die obre Stell' einnimmt. Er liegt im weißen Meer geſchaukelt an zwei ſchwanker Doch ſtarker Baͤnder Kraft, alswie ein Schiff vor Anker. Ein Schiff, das ganz und gar aus Proviant beſteht, Fuͤr ein Lebendiges, das aus dem Keim entſteht. Der Keim, auf welcher Seit' im Neſt das Ei auch liegt, Bleibt immer naͤchſt der Bruſt, die ihn durchwaͤrmt, geſchmiegt. Er iſt nicht tief ins Ei verſenkt, um zu erſticken; Der muͤrben Schale nah, darf nur das Huͤnlein picken. Und hoͤrt die Mutter drin ſein Picken zart und ſchwach, So hilft ſie außen mit dem Schnabel leiſe nach. Wir liegen an der Bruſt der Liebe noch im Ei, Und werden, wenn ſie hilft, von muͤrben Schalen frei. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0077" n="67"/> <div n="2"> <head>76.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Sieh, wie der Dotter ſo im Weiß des Eies ſchwimmt,</l><lb/> <l>Daß, wie du's drehſt, er ſtets die obre Stell' einnimmt.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Er liegt im weißen Meer geſchaukelt an zwei ſchwanker</l><lb/> <l>Doch ſtarker Baͤnder Kraft, alswie ein Schiff vor Anker.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Ein Schiff, das ganz und gar aus Proviant beſteht,</l><lb/> <l>Fuͤr ein Lebendiges, das aus dem Keim entſteht.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Der Keim, auf welcher Seit' im Neſt das Ei auch liegt,</l><lb/> <l>Bleibt immer naͤchſt der Bruſt, die ihn durchwaͤrmt, geſchmiegt.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Er iſt nicht tief ins Ei verſenkt, um zu erſticken;</l><lb/> <l>Der muͤrben Schale nah, darf nur das Huͤnlein picken.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Und hoͤrt die Mutter drin ſein Picken zart und ſchwach,</l><lb/> <l>So hilft ſie außen mit dem Schnabel leiſe nach.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Wir liegen an der Bruſt der Liebe noch im Ei,</l><lb/> <l>Und werden, wenn ſie hilft, von muͤrben Schalen frei.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [67/0077]
76.
Sieh, wie der Dotter ſo im Weiß des Eies ſchwimmt,
Daß, wie du's drehſt, er ſtets die obre Stell' einnimmt.
Er liegt im weißen Meer geſchaukelt an zwei ſchwanker
Doch ſtarker Baͤnder Kraft, alswie ein Schiff vor Anker.
Ein Schiff, das ganz und gar aus Proviant beſteht,
Fuͤr ein Lebendiges, das aus dem Keim entſteht.
Der Keim, auf welcher Seit' im Neſt das Ei auch liegt,
Bleibt immer naͤchſt der Bruſt, die ihn durchwaͤrmt, geſchmiegt.
Er iſt nicht tief ins Ei verſenkt, um zu erſticken;
Der muͤrben Schale nah, darf nur das Huͤnlein picken.
Und hoͤrt die Mutter drin ſein Picken zart und ſchwach,
So hilft ſie außen mit dem Schnabel leiſe nach.
Wir liegen an der Bruſt der Liebe noch im Ei,
Und werden, wenn ſie hilft, von muͤrben Schalen frei.
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