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Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.

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64.
Ist dir bekannt, warum in der Gefangenschaft
Der Elefant verliert die Stammfortpflanzungskraft?
Weil er, der lustentbrannt im freien Wald gegangen,
Von zahmer Weibchen List bethört ward und gefangen;
Die schmeichelnd lockten ihn und in die Mitte nahmen,
Bis sie ins Fangbereich der Menschen mit ihm kamen.
Aus Scham nun, daß er sich von ihnen ließ verführen,
Lass' er, so sagt man, nie mehr sich von ihnen rühren.
Doch andre sagen, nicht daß er den Weibchen grolle,
Nur daß er kein Geschlecht von Knechten zeugen wolle.
Noch andre, daß er sei zu schamhaft, weil ihm fehlen
Die dunklen Wälder, um sein Minnespiel zu hehlen.
Und wieder andre, weil mit seinem Kriegerstande
Es unverträglich sei, zu knüpfen zarte Bande.
Darum auch dieses Heer, das stehnde, bald ausstürbe,
Wenn nicht List und Gewalt stets neue Mannschaft würbe.

64.
Iſt dir bekannt, warum in der Gefangenſchaft
Der Elefant verliert die Stammfortpflanzungskraft?
Weil er, der luſtentbrannt im freien Wald gegangen,
Von zahmer Weibchen Liſt bethoͤrt ward und gefangen;
Die ſchmeichelnd lockten ihn und in die Mitte nahmen,
Bis ſie ins Fangbereich der Menſchen mit ihm kamen.
Aus Scham nun, daß er ſich von ihnen ließ verfuͤhren,
Laſſ' er, ſo ſagt man, nie mehr ſich von ihnen ruͤhren.
Doch andre ſagen, nicht daß er den Weibchen grolle,
Nur daß er kein Geſchlecht von Knechten zeugen wolle.
Noch andre, daß er ſei zu ſchamhaft, weil ihm fehlen
Die dunklen Waͤlder, um ſein Minneſpiel zu hehlen.
Und wieder andre, weil mit ſeinem Kriegerſtande
Es unvertraͤglich ſei, zu knuͤpfen zarte Bande.
Darum auch dieſes Heer, das ſtehnde, bald ausſtuͤrbe,
Wenn nicht Liſt und Gewalt ſtets neue Mannſchaft wuͤrbe.

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[54/0064] 64. Iſt dir bekannt, warum in der Gefangenſchaft Der Elefant verliert die Stammfortpflanzungskraft? Weil er, der luſtentbrannt im freien Wald gegangen, Von zahmer Weibchen Liſt bethoͤrt ward und gefangen; Die ſchmeichelnd lockten ihn und in die Mitte nahmen, Bis ſie ins Fangbereich der Menſchen mit ihm kamen. Aus Scham nun, daß er ſich von ihnen ließ verfuͤhren, Laſſ' er, ſo ſagt man, nie mehr ſich von ihnen ruͤhren. Doch andre ſagen, nicht daß er den Weibchen grolle, Nur daß er kein Geſchlecht von Knechten zeugen wolle. Noch andre, daß er ſei zu ſchamhaft, weil ihm fehlen Die dunklen Waͤlder, um ſein Minneſpiel zu hehlen. Und wieder andre, weil mit ſeinem Kriegerſtande Es unvertraͤglich ſei, zu knuͤpfen zarte Bande. Darum auch dieſes Heer, das ſtehnde, bald ausſtuͤrbe, Wenn nicht Liſt und Gewalt ſtets neue Mannſchaft wuͤrbe.

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Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane03_1837/64>, abgerufen am 21.11.2024.